„Wir sehen tatsächlich einen wirtschaftlichen Niedergang“, warnt Ifo-Präsident Clemens Fuest – und seine Worte treffen ins Mark. Die deutsche Wirtschaft steht am Rand eines tiefgreifenden Strukturwandels, der ohne klare politische Richtung zum Absturz führen kann. Seit Jahren stagniert das Wachstum, Investitionen schrumpfen, und nahezu täglich melden große Konzerne Werksschließungen, Personalabbau oder Standortverlagerungen ins Ausland. Digitalisierung, Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit – einst Garant für Erfolg – verlieren an Schlagkraft. Der schleichende Niedergang ist keine statistische Kurve mehr, sondern eine Realität, die sich in Fabrikhallen und Unternehmensbilanzen zeigt.
Stillstand als Dauerzustand
Fuest bezeichnet die Lage als historisch außergewöhnlich. Die Wirtschaftsleistung stagniert seit 2019, die Investitionen sind auf dem Niveau von 2015. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik blieb die Wirtschaft über so lange Zeit auf der Stelle. Diese Entwicklung ließe sich durch entschlossene Reformen bremsen, doch die Politik scheint im Verwaltungsmodus gefangen. Während Betriebe schließen und Produktionsstätten ins Ausland wandern, bleibt der Wille zu strukturellem Wandel aus. Der Begriff „Transformation“ wird inflationär benutzt, doch selten mit Leben gefüllt.

Auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich die Krise schleichend. In der Industrie gehen gut bezahlte Stellen verloren, während neue Jobs vor allem im öffentlichen Dienst entstehen. Diese Positionen tragen kaum zur Produktivitätssteigerung bei, sie erhöhen vielmehr die Staatsausgaben. So entsteht eine gefährliche Schieflage, die langfristig die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.
Fehlende Entscheidungen beschleunigen den Niedergang
Obwohl die Bundesregierung offiziell Wachstum und Digitalisierung zu ihren Zielen erklärt hat, fehlt eine konsequente Umsetzung. Beschlüsse bleiben vage, Förderprogramme versanden im Verwaltungsapparat. Fuest spricht von einem politischen Stillstand, der den wirtschaftlichen Niedergang nicht nur zulässt, sondern beschleunigt. Besonders kritisch ist die Lage in Schlüsselindustrien: Chemie, Maschinenbau und Fahrzeugproduktion verlieren rasant an Substanz. Werksschließungen und Abwanderungen zeigen, dass der Standort Deutschland seine Attraktivität verliert.
Die Gründe liegen auf der Hand: hohe Energiepreise, steuerliche Komplexität, langsame Genehmigungsverfahren und fehlende Planungssicherheit. Diese Kombination macht Investitionen unattraktiv. Statt gegenzusteuern, reagiert die Politik mit Symbolmaßnahmen. So verfestigt sich der Eindruck eines Landes, das lieber diskutiert als handelt.
Innovation als letzter Rettungsanker
Fuest fordert einen Kurswechsel. Nicht weitere Autogipfel oder sektorale Subventionen, sondern ein echter Zukunftsgipfel für Start-ups, Digitalisierung und Innovation soll neue Dynamik bringen. Er verweist auf den Vergleich zwischen Celonis, dem erfolgreichsten deutschen Softwareunternehmen, und der gesamten Stahlindustrie. Der Marktwert von Celonis übertrifft den der deutschen Stahlbranche um das Zweieinhalbfache – ein Zeichen dafür, wo Zukunft entsteht.
Doch selbst Innovation kann den Niedergang nicht aufhalten, wenn die Rahmenbedingungen fehlen. Unternehmen kämpfen mit übermäßiger Bürokratie und hohen Kosten. Viele Ideen scheitern, bevor sie den Markt erreichen. Deutschland hat das Potenzial, bei Zukunftstechnologien führend zu sein, doch der politische Mut zur Umsetzung fehlt.
Strukturwandel oder Abstieg
Digitalisierung und Wachstum gelten als Schlüssel aus der Krise, doch ohne strategische Steuerung bleibt der Strukturwandel ein Zufallsprodukt. Fuest sieht das Risiko, dass Deutschland zu spät handelt, während andere Nationen längst neue Märkte erobern. Jede verpasste Reform, jede verschobene Entscheidung und jede Unternehmensabwanderung verstärken den Niedergang.
Statt gezielter Industriepolitik erleben wir Stückwerk. Sozialpolitische Zugeständnisse und Rentenversprechen dominieren die Debatte, während Investitionen in Forschung, Technologie und Bildung zu kurz kommen. So wird Zukunft vertagt – mit jedem neuen Gesetz, das kurzfristig Stimmen sichert, aber langfristig die Wettbewerbsfähigkeit mindert.
Verantwortung statt Vertröstung
Deutschland besitzt die Mittel, den Trend umzukehren. Eine starke Industrie, kreative Unternehmer und technologische Kompetenz bilden noch immer eine solide Grundlage. Doch ohne entschlossenes Handeln verpufft dieses Potenzial. Fuest mahnt an, dass Wachstum, Innovation, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit wieder Priorität bekommen müssen.
Der politische Stillstand darf nicht länger als Normalzustand gelten. Jeder verlorene Standort, jede abwandernde Produktion und jede versäumte Reform sind Bausteine eines Prozesses, den man nur mit einem Wort beschreiben kann: Niedergang. Noch bleibt Zeit zur Korrektur – aber nur, wenn endlich entschieden gehandelt wird.
Lesen Sie auch:
- Arbeitgeberpräsident kritisiert Bundesregierung: Deutschland verkommt zum Bremsklotz der EU
- Deutsche Wirtschaft in schweren Zeiten: Ifo-Chef Fuest warnt vor Deindustrialisierung
- Ifo-Chef entlarvt teure Klimapolitik und fordert einfache Lösungen
- Dauerkrise in der deutschen Wirtschaft – Merz fühlt sich von Kritik genervt