Der deutsche Mittelstand steht zunehmend unter Druck. Steigende Energiekosten und Rekord-Strompreise treffen kleine und mittlere Unternehmen besonders hart. Während die Industrie oft im Fokus der Politik steht, geraten Betriebe aus Handwerk, Maschinenbau und Lebensmittelproduktion in existenzielle Not. Laut einer Untersuchung des Instituts Frontier Economics im Auftrag der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) droht vielen dieser Firmen der finanzielle Kollaps. Die Wettbewerbsfähigkeit sinkt, und die Leistungsfähigkeit der Betriebe nimmt spürbar ab (welt; 25.10.25).
Energiekosten zerstören wirtschaftliche Grundlagen
Vor allem kleine und mittlere Unternehmen aus Branchen wie Elektrotechnik, Konsumgüterproduktion oder Lebensmittelverarbeitung tragen die Hauptlast. Ihnen fehlt der Zugang zu staatlichen Entlastungen, die große Konzerne genießen. Der Mittelstand trifft die Energiewende daher besonders hart. Während große Industrien ihre Kosten über Mengen oder Preisweitergaben ausgleichen, stoßen kleinere Betriebe an ihre Grenzen.

Die Studie verdeutlicht, dass der Kostendruck der Energiewende tief in die Wirtschaft hineinreicht. Über einen sogenannten Sickereffekt steigt die Belastung selbst in Bereichen, die nur wenig Energie benötigen, aber stark auf günstige Vorprodukte und Transport angewiesen sind. In Deutschland zählen 99,4 Prozent der Unternehmen zu dieser Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen, die somit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden.
Strompreise auf historischem Höchststand
Laut Berechnungen von Frontier Economics drohen die Stromnetzentgelte bis 2045 um rund 63 Prozent zu steigen. Besonders Gewerbe und Handel sehen sich dadurch mit massiven Mehrkosten konfrontiert. Jede Preiserhöhung entlang der Lieferkette schlägt direkt auf den Verbraucherpreis durch. So entsteht ein Kreislauf, in dem steigende Strompreise die gesamte Industrie belasten und den Binnenmarkt schwächen.
Noch kritischer zeigt sich die Lage beim Gas. Sinkender Verbrauch führt dazu, dass sich die Infrastrukturkosten auf immer weniger Abnehmer verteilen. „In der Folge erhöhen sich für diese Kunden die Gasnetzentgelte spürbar“, heißt es in der Studie. Für viele Mittelständler bedeutet das eine zusätzliche Last, die ihre Existenz gefährdet.
Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
Deutschland zählt laut Untersuchung 2024 zu den Ländern mit den höchsten Energiepreisen Europas. Besonders betroffen sind energieabhängige Betriebe wie Wäschereien und Lebensmittelhersteller. Diese Unternehmen können steigende Energiekosten kaum noch an ihre Kunden weitergeben. Frontier Economics zieht ein düsteres Fazit: „Im Status Quo besteht für einige Industrien in Deutschland akute Gefahr, die Fortführung der Energiewende nicht zu überleben.“
Auch weniger energieintensive Branchen spüren die Folgen. Im Baugewerbe, in der Gastronomie und im Handel treiben höhere Betriebskosten die Preise nach oben. Dadurch sinkt die Kaufkraft, und die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft gerät in Schieflage. Der Mittelstand trägt die Hauptlast dieser Entwicklung, die das Fundament des Wohlstands bedroht.
Industrie fordert politische Entlastung
Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der DIHK, Achim Dercks, fordert eine klare Kurskorrektur. Der aktuelle Kurs gefährdet nicht nur die Schwerindustrie, sondern auch den Mittelstand. Die Bundesregierung müsse die Stromsteuer für alle Unternehmen senken – nicht nur für die produzierende Industrie.
Die ergänzende Frontier-Economics-Analyse „Plan B: Neue Wege für die Energiewende“ rechnet mit Gesamtkosten von bis zu 5,4 Billionen Euro bis 2049. Ohne grundlegende Reform droht eine gefährliche Spirale aus steigenden Stromkosten, sinkender Leistungsfähigkeit und wachsender Unsicherheit. Für den Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, ist die Energiewende längst zur Überlebensfrage geworden.
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