Deutschland hat im Jahr 2024 mehr Atomstrom als je zuvor aus dem Ausland bezogen. Von den insgesamt 40 Milliarden Kilowattstunden Strom-Importen stammen 16,5 Milliarden kWh aus ausländischen Atomkraftwerken. Ein historischer Höchstwert. Zum Vergleich: Die drei deutschen Atomkraftwerke, die bis 2022 betrieben wurden, produzierten im selben Jahr etwa 32 Milliarden kWh. Heute importiert Deutschland die Hälfte dieser Menge aus dem Ausland (bild: 05.12.24).
Steigende Abhängigkeit von Frankreich
Die Stromimporte aus Frankreich haben sich im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt. Im November 2024 beliefen sich diese auf fast eine Milliarde kWh, von denen bis zu 80 Prozent aus Atomkraftwerken stammten. Zusätzlich kommen erhebliche Mengen Atomstrom aus der Schweiz und Belgien. Gemeinsam machen diese Länder etwa die Hälfte aller deutschen Stromimporte aus.
Laut dem „Radiant Energy Report“ haben sich die deutschen Stromimporte im Jahr 2024 nahezu verdreifacht. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass die Atomstrom in den exportierenden Ländern eine zentrale Rolle spielt. Die Gründe sind klar: Atomstrom aus dem Ausland ist günstig und unverzichtbar, besonders wenn Wind- und Sonnenenergie nicht ausreichen.
Experten schlagen Alarm
Prof. André Thess von der Universität Stuttgart erklärt: „Durch den Atomausstieg hat sich Deutschland vom Energieexporteur zum Energieimporteur entwickelt.“ Seine Analyse zeigt, dass Deutschland zwischen Dezember 2023 und November 2024 insgesamt 13,19 Milliarden kWh Strom aus Frankreich importierte. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres lag der Saldo deutlich niedriger, mit einem Export von 1,79 Milliarden kWh.
Thess betont, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland ohne Importe nicht gewährleistet werden kann. Das Fehlen eigener Atomstromproduktion habe die Abhängigkeit von ausländischen Energiequellen massiv erhöht.
Kritik an Deutschlands Energiepolitik
Energie-Ökonom Prof. Manuel Frondel vom RWI-Leibniz-Institut kritisiert die Abschaltung der Atomkraftwerke als egozentrisch. „Deutschland verlässt sich darauf, dass die Stromdefizite durch Nachbarländer ausgeglichen werden.“ Dieses Verhalten gefährde nicht nur die eigene, sondern auch die europäische Versorgungssicherheit.
Ohne diese Importe, so Frondel, müsste Deutschland vermehrt auf klimaschädlichen Kohlestrom zurückgreifen. Dabei ist das Land Teil eines europäischen Stromsystems, verhält sich jedoch oft wie eine isolierte Insel.
Politische Verantwortung und Zukunftsfragen
Die Zahlen und Fakten legen nahe, dass die aktuelle Energiepolitik Deutschlands ein erhebliches Risiko birgt. Die Abkehr von der Kernkraft hat nicht nur die heimische Stromproduktion reduziert, sondern die Abhängigkeit von den Nachbarn dramatisch erhöht. Gleichzeitig bleibt die Frage offen, wie die Energiewende nachhaltig gestaltet werden kann, ohne die Versorgungssicherheit und Klimaziele zu gefährden.
Während sich Deutschland offiziell von der Atomenergie distanziert, zeigt die Realität ein anderes Bild: Atomstrom bleibt essenziell, wenn die erneuerbaren Energien nicht ausreichen. Ein langfristiger Plan, der sowohl Umweltziele als auch Energiebedarf berücksichtigt, ist unerlässlich, um diese Widersprüche zu lösen.
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