Deutschlands Industrie hängt bei seltene Erden am seidenen Faden. China kontrolliert den Markt, während deutsche Unternehmen ohne Vorräte dastehen. Selbst eine kurzfristige Entspannung im Handelskonflikt ändert nichts an der strukturellen Abhängigkeit. Weder Industrie noch Politik haben ausreichend vorgesorgt – das rächt sich jetzt (wiwo: 12.06.25).
Strategielosigkeit bei seltene Erden schwächt Deutschlands Position
Seit über zehn Jahren drängen Rohstoffexperten auf Vorratshaltung. Dennoch reichen die Bestände deutscher Konzerne oft nur für wenige Wochen. Ein verantwortungsloser Umgang, der nicht nur wirtschaftliche Risiken birgt, sondern auch sicherheitspolitische. Hyundai etwa zeigt, dass es auch anders geht – mit Lagerreserven für zwölf Monate.

Zahlreiche Industriezweige sind betroffen. In der Automobilbranche stecken seltene Erden in elektrischen Antrieben, Servolenkungen oder Sitzverstellungen. Gleichzeitig benötigt die Rüstungsindustrie Stoffe wie Yttrium zur Stabilisierung von Flugkörperhüllen bei hohen Temperaturen. Ohne diese Rohstoffe steht mehr auf dem Spiel als nur Produktionsausfälle.
Fehlende Förderung hemmt Unabhängigkeit
China und Myanmar besitzen Vorkommen im Lehmboden – der Abbau dort ist billig. In westlichen Ländern hingegen liegen die seltenen Erden meist im Gestein und erfordern aufwendige Verfahren. Private Investoren scheuen diese hohen Kosten. Deshalb müssten staatliche Anreize folgen, um Alternativen wirtschaftlich zu machen.
Die USA haben dies bei leichten Seltenen Erden vorgemacht: In Kalifornien wurde der Abbau in Mountain Pass reaktiviert – trotz Preisnachteilen gegenüber China. Der Ausschluss von Neodym aus chinesischen Exportkontrollen zeigt, wie gezielt Peking Einfluss nimmt, um eigene Machtpositionen zu sichern.
Verlorenes Know-how schwächt Europa
Ein weiteres Problem: Europa hat die Verarbeitung seltener Erden komplett nach China abwandern lassen. Das Know-how früherer Jahrzehnte ist verloren. Ohne Rückverlagerung der Veredelung droht langfristig die Abhängigkeit auf ganzer Linie. In einer idealen Welt mag Arbeitsteilung funktionieren – in geopolitisch angespannten Zeiten reicht das nicht.
Industrie und Politik müssen jetzt handeln. Ohne entschlossene Maßnahmen droht ein schleichender Kontrollverlust über kritische Technologien. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sicherheitspolitisch steht viel auf dem Spiel. Wer bei seltenen Erden zu spät handelt, zahlt doppelt – erst wirtschaftlich, dann strategisch.
Lesen Sie auch:
- Kritische Abhängigkeit: Die Autoindustrie taumelt wegen seltener Erden und fehlender Magnete
- Verborgene Schätze in Kohlenasche – Seltene Erden als ungenutzte Ressource
- Mine in Grönland soll ab 2024 Seltene Erden liefern
- Seltene Erden: Welche Elemente gehören dazu und wofür braucht man sie eigentlich?