Deutschland will seine Gasspeicher nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine schnell füllen. Doch Experten kritisieren, dass die Gas-Einkäufe zu teuer und ineffizient sind. Dadurch könnten große Verluste entstehen. Die Regierung versucht zwar schnell zu handeln, aber Experten sehen hier ein großes Risiko.(n-tv, 19.12.2022)
Deutsche Regierung erwirbt fast 50 Terawattstunden Erdgas
Die deutsche Regierung hat Trading Hub Europe (THE) beauftragt, knapp 50 Terawattstunden Erdgas zu erwerben. Dieses wurde in deutschen Gasspeichern eingelagert, was etwa einem Fünftel der gesamten Speicherkapazitäten in Deutschland entspricht. Insgesamt 8,7 Milliarden Euro wurden ausgegeben und der Durchschnittspreis pro Megawattstunde lag deutlich über dem aktuellen Marktpreis. Um den Energiebedarf Deutschlands zu decken, hat die Regierung bis Anfang November erfolgreich Erdgas eingekauft.
Einblick in die Geschäfte der Bundesregierung: Transparenz und Geheimhaltung
Die Bundesregierung möchte keine Details über ihre Geschäfte preisgeben. Das Wirtschaftsministerium hält die Informationen geheim und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) kann sie nicht an die Öffentlichkeit weitergeben. Aus diesem Grund sind die Einzelheiten über die Geschäfte der Bundesregierung nicht öffentlich zugänglich. Trotzdem bemüht sich das BMWi, die Transparenz in Bezug auf die Geschäfte der Bundesregierung zu erhöhen.
Bundesnetzagentur reagiert auf Einfluss von THE auf den Gasmarkt
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, sagte im Interview mit Tagesspiegel Background, dass sie die Sache nun im Blick haben. Niemand außer THE konnte solch eine große Menge Gas kaufen, doch THE hatte bis dahin keinerlei Erfahrung im Gashandel. Müller betonte, dass sie sofort reagiert hätten, als sie erkannten, dass THE mehr als Spekulant tätig war, statt als ein preisbewusster Kaufmann. Er ergänzte, dass die Bundesnetzagentur schnell nachgesteuert habe, um den Einfluss von THE auf die Preisbildung am Gasmarkt zu reduzieren.
Kritik an THEs Risikomanagement: Professor Lion Hirth spricht von Spekulieren statt Handeln
Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School, kritisierte, dass THE sich beim Risikomanagement als völlig unerfahren erwiesen hat. Deutschland habe sich so verhalten, als sei es ein Spekulant. THE habe seine Einkäufe ausschließlich am Spotmarkt getätigt, dabei jeden Preis bezahlt und damit die Preise selbst in die Höhe getrieben. Händler in der Branche behaupten, dass THE stets zu einem vorhersehbaren Zeitpunkt kaufte. Diese starre Einkaufsstrategie nutzten andere Händler, um aus ihrer Sicht einen extrem profitablen Handel zu betreiben. THEs Handeln hat somit zu lukrativen Gewinnen bei den Händlern beigetragen. Die daraus resultierenden Kosten tragen die Verbraucher über den drastisch gestiegenen Gaspreis.
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