Comeback der Atomkraft: Klimaschutz mit Kernenergie?

Für die Kernenergie beginnt offenkundig eine neue Ära. Angesichts des steigenden Strombedarfs planen Staaten und Unternehmen den Bau neuer Atomkraftwerke, die immerhin klimafreundliche Elektrizität produzieren. Der deutsche Atomausstieg gilt inzwischen als Sonderweg. (National Geographic, 17.03.2025)


Gigantischer Stromhunger

Neue technologische Entwicklungen wie die künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste, E-Autos oder die Erzeugung von grünem Wasserstoff, aber auch traditionelle, weiter wachsende Wirtschaftszweige wie die Industrieproduktion und die Klimatisierung von Gebäuden benötigen immer mehr Elektrizität. Darauf reagieren beispielsweise Unternehmen wie Google, Microsoft und Amazon mit der Anschaffung von Mini-Atomkraftwerken (SMR für Small Modular Reactor), deren Stromproduktion künftig den Bedarf der gewaltigen Rechenzentren decken soll. Zwar erleben auch die erneuerbaren Energien weltweit einen Boom. Doch die Stromproduktion gerade von Windkraft- und Solaranlagen schwankt mit den Wetterbedingungen, was zu einer Renaissance der zuverlässigen Atomkraft führt. Auch diese hilft den Ländern und Unternehmen, ihr Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.

Die Kernenergie erlebt weltweit eine Renaissance. Während Deutschland am Atomausstieg festhält, setzen viele Länder auf neue Reaktortechnologien.
Die Kernenergie erlebt weltweit eine Renaissance. Während Deutschland am Atomausstieg festhält, setzen viele Länder auf neue Reaktortechnologien.

Die IEA (Internationale Energieagentur) hat nun eine Studie dazu veröffentlicht. Mit Stand März 2025 wollen über 40 Länder der Welt ihre Kernkraftkapazitäten ausbauen oder neu in diese Technologie einsteigen. Der Executive Director der IEA Fatih Birol vergleicht dieses Comeback der Kernkraft mit ihrem Boom infolge der Ölkrise ab 1973. Gleichzeitig ist der Fachmann davon überzeugt, dass mithilfe der Kernenergie durchaus der wachsende Strombedarf sicher und nachhaltig gedeckt werden kann.

Diskussion um die Atomkraft in Deutschland

Hierzulande scheint das Thema erledigt zu sein. Nach der Fukushima-Katastrophe 2011 beschloss die damalige Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) den Atomausstieg, der 2023 endgültig realisiert wurde. In jenem Jahr wurden die letzten drei Reaktoren Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 abgeschaltet. Allerdings ist die Diskussion um eine Rückkehr zur Kernkraft niemals völlig verstummt, selbst wenn die Kraftwerksbetreiber aus technischen Gründen abwinken. Immerhin lässt sich auch damit das Klima schützen. Daher hat die Union die „Option Kernenergie“ in ihr jüngstes Wahlprogramm aufgenommen. Dabei stößt sie auf Widerspruch von Energiemanagern.

Der RWE-Chef Markus Krebber wies erst jüngst darauf hin, dass ein Wiederhochfahren inzwischen abgeschalteter Meiler Milliarden Euro kosten würde. Abgesehen von den wirtschaftlichen Risiken wären auch langwierige Genehmigungen erforderlich. Neubauten von Atomkraftwerken dauern mindestens zehn Jahre. Hierzu merkt der Wirtschaftsvertreter an, dass man die Ökonomie von Small Modular Reactors bislang nicht sicher kalkulieren könne, was gewinnorientierte Unternehmen abschreckt. Für die aktuellen Energieengpässe helfe die Atomkraft jedenfalls nicht weiter, so Krebber.

Das Umweltbundesamt pflichtet ihm bei. Die Kernenergie sei teuer, helfe nur wenig dem ⁠Klimaschutz⁠ und berge vielfältige Gefahren beim Uranabbau, beim Betrieb der Meiler und bei der Endlagerung des Atommülls, um die in Deutschland bekanntlich seit Jahrzehnten gestritten wird. Zudem bestehe stets das Risiko, dass böswillige Akteure nuklearen Abfall für den Bau von Atomwaffen verwenden. Beim UBA ist man entgegen dem internationalen Trend der Auffassung, dass die Gesellschaft ausschließlich auf den Ausbau von erneuerbaren Energien setzen sollte.


Der Blick über den Tellerrand

Viele Staaten und Firmen der Welt haben einen anderen Blickwinkel auf die Kernkraft. Die Tech-Giganten können wohl durchaus ihre Unternehmensziele mit der SMR-Technologie erreichen. In den USA, China und Frankreich boomt die Atomkraft, viele andere Staaten setzen ebenfalls darauf. IEA-Direktor Birol glaubt, dass im laufenden Jahr 2025 ein neuer Rekord bei der Atomstromproduktion erreicht wird. Immerhin sorgen weltweit derzeit 417 Atomreaktoren für fast zehn Prozent der Stromproduktion. Gleichzeitig ist die Kernenergie laut IEA nach der Wasserkraft der zweitgrößte Erzeuger von emissionsarmem Strom.

Dieser Meinung folgend bauen Staaten und Firmen derzeit 62 neue Reaktoren. Asien ist dabei der Vorreiter, allein China wird in den nächsten 15 Jahren über 40 Atomreaktoren in Betrieb nehmen. Auch Japan, Indien und Südkorea erhöhen den Anteil der Kernkraft an ihrem Strommix. Bangladesch und die VAR steigen derzeit in die Atomenergie ein. In Europa sollen ebenfalls neue Meiler entstehen. Von den 27 EU-Mitgliedsstaaten betreiben zwölf Kernkraftwerke. In Frankreich deckt die Atomenergie rund 65 Prozent des Strombedarfs. Deutschland importiert manchmal diesen Atomstrom. In Italien wurden zwar schon nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 alle Reaktoren abgeschaltet. Doch nun plant die Mitte-Rechts-Regierung unter Giorgia Meloni die Kehrtwende und begründet dies mit dem Wunsch nach Klimaneutralität.

Schweden wollte aus der Atomkraft aussteigen, wird sie aber nun ausbauen, um sich von fossiler Energie zu verabschieden. Weitere Staaten mit gleichlautenden Intentionen sind die Niederlande, Tschechien, Polen, Finnland und Großbritannien. In Afrika gibt es vorerst nur zwei Atomkraftwerke, doch auch hier sind Neubauten geplant. Der weltgrößte Atomstromproduzent USA forciert die Technologie. Seinem Vorgänger Joe Biden folgend will der gegenwärtige Präsident Donald Trump bis 2050 die Kernkraftkapazitäten verdreifachen. Es könnte also naheliegen, dass in Deutschland ein Umdenken einsetzt.

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