Seit dem Jahr 1471 verbindet eine Fähre die Ufer des malerischen Ostsee-Fjords bei Missunde, einem kleinen Ort an der Schlei, etwa fünf Kilometer östlich von Schleswig. Über Jahrhunderte hinweg funktionierte der Fährbetrieb ohne größere Probleme – zuletzt mit der dieselbetriebenen Fähre „Missunde II“. Doch die Wende hin zu mehr Umweltbewusstsein sorgte für eine folgenschwere Entscheidung: Eine neue, Solar-Fähre sollte den Betrieb übernehmen. Doch die als Fortschritt gepriesene Solar-Fähre entpuppte sich bald als schwerwiegende Fehlplanung (bild: 29.09.24).
Teure Fehlkalkulation
Die neu angeschaffte Solar-Fähre „Missunde III“, die mit stolzen 3,3 Millionen Euro zu Buche schlug, zeigte schnell erhebliche Mängel. Obwohl sie als ökologisches Vorzeigeprojekt gedacht war, scheiterte sie an den widrigen Bedingungen in der Schlei. Wind und Strömungen machten es unmöglich, die Fähre präzise zu steuern. Für ein Schiff, das dem technologischen Fortschritt dienen sollte, ist dies ein gravierender Konstruktionsfehler. Dass ein derart teures Projekt an solchen praktischen Anforderungen scheitert, ist kaum zu fassen.
Zur Behebung des Problems sind nun zusätzliche Maßnahmen notwendig. Um die Manövrierfähigkeit der Fähre zu verbessern, sollen zwei Bugstrahlruder zum Einsatz kommen. Allerdings lässt sich weder abschätzen, wie lange der Umbau dauern wird, noch mit welchen zusätzlichen Kosten zu rechnen ist. Was bleibt, ist die Unsicherheit, und bis zur Fertigstellung der Umbauten gibt es keine funktionierende Fähre. Der Fährbetrieb muss jedoch aufrechterhalten werden.
Rückkauf der alten Diesel-Fähre
In der Zwischenzeit entschied sich das zuständige Amt, die alte Diesel-Fähre „Missunde II“ zurückzukaufen, um den Betrieb zu sichern. Hierfür mussten 100.000 Euro aufgewendet werden, obwohl das Schiff zuvor für lediglich 17.000 Euro verkauft wurde. Die Differenz von 83.000 Euro führt zu einem empfindlichen finanziellen Verlust – ein Preis, der jedoch als unvermeidbar dargestellt wird. „Es gab keine andere Wahl“, erklären die Behörden, um die Maßnahme zu rechtfertigen.
Die alte Fähre erhielt eine neue Betriebsgenehmigung bis 2028. Dies deutet darauf hin, dass selbst die Entscheidungsträger nicht damit rechnen, dass die Solar-Fähre zeitnah wieder einsatzbereit sein wird. Bis dahin bleibt die „Missunde II“ das Rückgrat des Fährbetriebs – zumindest vorerst.
Proteste der Bevölkerung
Der Unmut in der Region wächst. Die Anwohner sind verärgert über das teure und chaotische Hin und Her. Die Einführung der Solar-Fähre hat nicht nur Kosten verursacht, sondern auch die Versorgung der Region gefährdet. Aus diesem Grund haben viele Bürger eine Unterschriftenaktion gestartet, die sich für den dauerhaften Betrieb der Diesel-Fähre einsetzt. Für die Menschen vor Ort ist klar: Die alte „Missunde II“ hat ihre Zuverlässigkeit über Jahrzehnte hinweg bewiesen und soll auch weiterhin fahren, statt durch eine ineffiziente und kostspielige Alternative ersetzt zu werden.
Zwar ist die Diesel-Fähre nicht so umweltfreundlich wie ihr solarbetriebenes Pendant, doch in den Augen der Bevölkerung zählt die Praxistauglichkeit mehr als der bloße Gedanke an ökologische Innovationen. Was nützt ein umweltfreundliches Schiff, das nicht steuerbar ist und den Betrieb lahmlegt?
Unklare Perspektiven
Wie es mit der Solar-Fähre „Missunde III“ weitergeht, ist nach wie vor ungewiss. Die Installation der Bugstrahlruder wird Zeit in Anspruch nehmen, und es ist nicht abzusehen, ob und wann das Schiff tatsächlich wieder verlässlich in Betrieb genommen werden kann. Die Genehmigung der Diesel-Fähre bis 2028 zeigt, dass die Verantwortlichen selbst wenig Vertrauen in eine schnelle Lösung haben.
Es bleibt zu hoffen, dass aus diesem Fall Lehren gezogen werden. Nicht jede moderne Technologie ist automatisch eine Verbesserung. Manchmal sind bewährte, funktionierende Systeme die bessere Wahl. In Missunde hat die „Missunde III“ jedenfalls vorerst versagt. Die Zukunft des Fährbetriebs hängt nun von pragmatischen Entscheidungen ab – und davon, ob die Solar-Fähre nach den geplanten Umbaumaßnahmen überhaupt den Anforderungen gerecht werden kann.
Die Lektion aus diesem Fall könnte sein, dass technologische Innovationen stets auch auf ihre Umsetzbarkeit im praktischen Alltag geprüft werden müssen. Innovation allein reicht nicht aus – sie muss sich auch bewähren.
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