Zahl der Großinsolvenzen im ersten Halbjahr um 37 Prozent gestiegen – weitere Zunahme erwartet

Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland nimmt drastisch zu. Für das Jahr 2024 prognostizieren Experten einen Anstieg um 21 Prozent. Besonders auffällig ist die Zunahme sogenannter Großinsolvenzen, also Insolvenzen von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 50 Millionen Euro. Bereits im ersten Halbjahr 2024 wurden 40 solcher Fälle verzeichnet – ein Anstieg von 37 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (welt: 10.09.24). Diese Entwicklung hat erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette. Unternehmen, die mit insolventen Großunternehmen verbunden sind, geraten oft selbst in Schwierigkeiten, wie Milo Bogaerts von Allianz Trade erklärt: „Nicht selten geraten sie in den Abwärtssog und laufen Gefahr, ebenfalls zahlungsunfähig zu werden.“


Branchen besonders betroffen

Zwei Branchen sind bei den Großinsolvenzen besonders gefährdet: das Baugewerbe und der Einzelhandel. Im Einzelhandel sind es vor allem Mode- und Textilunternehmen, die von Insolvenzen betroffen sind. Aber auch andere Sektoren wie Dienstleistungen, Möbel und Haushaltswaren sehen einen deutlichen Anstieg. Die Gründe für die Pleitewelle sind vielfältig. Einige Unternehmen haben Schwierigkeiten, die während der Corona-Pandemie aufgenommenen Darlehen zurückzuzahlen, andere scheitern an der restriktiveren Kreditvergabe der Banken. Auch die Abhängigkeit von wenigen Großkunden, die in der Krise wegbrechen, führt oft zu Insolvenzen. Diese Mischung aus strukturellen und wirtschaftlichen Problemen macht vielen Unternehmen zu schaffen.

Massiv steigende Anzahl von Großinsolvenzen in Deutschland: Auswirkungen auf Lieferketten und Branchen wie Bau und Einzelhandel
Massiv steigende Anzahl von Großinsolvenzen in Deutschland: Auswirkungen auf Lieferketten und Branchen wie Bau und Einzelhandel
Bild: KI-generiert

Laut Allianz Trade liegt der durchschnittliche Umsatz der insolventen Großunternehmen bei rund 290 Millionen Euro, was einen Anstieg von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet. Damit sind auch die Schäden für Zulieferer und Gläubiger massiv gestiegen.

Die Rolle der internationalen Risiken

Neben den nationalen Herausforderungen wie hohen Energiekosten und steigender Bürokratie spielen auch internationale Risiken eine Rolle. „Unzuverlässige Lieferketten aus autokratischen Staaten und geopolitische Spannungen wie der Taiwan-Konflikt oder die mögliche Rückkehr von Donald Trump könnten die Exporteure schwer treffen“, warnt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft. Diese internationalen Unsicherheiten belasten die deutsche Wirtschaft zusätzlich und verstärken den Druck auf Unternehmen, die bereits mit sinkender Nachfrage und hohen Produktionskosten kämpfen.

Auch für das kommende Jahr wird eine weitere Zunahme der Großinsolvenzen erwartet. Allianz Trade prognostiziert für 2024 etwa 21.500 Unternehmenspleiten, was einem Plus von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dies folgt bereits auf ein schwieriges Jahr 2023, in dem die Insolvenzzahlen um 22 Prozent gestiegen sind. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Lediglich der Anstieg der Insolvenzen könnte sich verlangsamen.


Autoindustrie und Baugewerbe in Gefahr

Besonders stark gefährdet sind Branchen, die stark von Verbraucherausgaben abhängig sind. So leidet der Modehandel bereits seit Jahren unter einer schwachen Nachfrage. Die aktuelle Kaufzurückhaltung der Verbraucher verschärft die Situation weiter. Auch die Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen. Christoph Niering vom Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht hier eine „schwache Nachfrage nach E-Mobilität“ und verweist auf das bevorstehende Aus des Verbrennungsmotors als zusätzliche Belastung. Diese Gemengelage führt dazu, dass Insolvenzen in dieser Branche immer wahrscheinlicher werden.

Das Baugewerbe leidet ebenfalls unter einer anhaltend schlechten Auftragslage. Die niedrigen Baugenehmigungszahlen und das Fehlen von Zinsanreizen durch die Europäische Zentralbank verschärfen die Lage weiter. Trotz zahlreicher Selbstsanierungsversuche von Unternehmen, wie etwa durch das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRug), bleiben die Aussichten für viele Firmen düster.

Verkäufe insolventer Unternehmen sind eine mögliche Lösung, aber auch diese Option gestaltet sich zunehmend schwieriger. Die hohen Zinsen und die unsichere Wirtschaftslage schrecken potenzielle Investoren ab. „Hohe Zinsen machen den Erwerb insolventer Firmen teurer oder unattraktiv“, erklärt Jonas Eckhardt von der Beratungsgesellschaft Falkensteg. Dies zeigt, wie komplex die derzeitige Wirtschaftslage ist und wie schwer es vielen Unternehmen fällt, sich in diesem Umfeld zu behaupten.

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