Windräder im Wald: Wie der Ausbau der Windkraft Deutschlands Wälder zerstört

Im Namen der Energiewende geraten Deutschlands Wälder zunehmend unter Druck. Der renommierte Waldökologe Pierre Ibisch warnt eindringlich vor Windrädern im Wald. Nach seiner Einschätzung profitieren Investoren, nicht die Umwelt. Geplante Anlagen im Landschaftsschutzgebiet bei Teupitz überragen mit 261 Metern die umliegenden Kiefern um das Zehnfache – mit schwerwiegenden Folgen für das Ökosystem (berliner-zeitung: 14.06.25).


Wälder leisten mehr als nur Holzproduktion

Wälder bedeckten einst fast ganz Deutschland. Heute bleibt nur ein Drittel übrig – oft in kleinen, zersplitterten Flächen. Auch naturferne Forste, die ursprünglich zur Holzproduktion dienten, übernehmen wichtige ökologische Funktionen: Sie speichern Kohlendioxid, stabilisieren das Klima und fördern den Wasserhaushalt. Doch diese Wälder leiden unter Klimawandel, wirtschaftlicher Nutzung und wachsendem Umweltdruck.

Windräder im Wald schaden dem Ökosystem, fördern Austrocknung und Brandgefahr – Experte warnt vor weiteren Eingriffen in Wälder
Windräder im Wald schaden dem Ökosystem, fördern Austrocknung und Brandgefahr – Experte warnt vor weiteren Eingriffen in Wälder

Um die Erderwärmung zu bremsen, bietet sich der sogenannte natürliche Klimaschutz an. Vitaler, kühler und dichter Wald wirkt als effektiver CO₂-Speicher. Besonders in Zeiten extremer Hitze braucht es zusammenhängende, gesunde Waldflächen. Windräder fügen diesem sensiblen Gleichgewicht neue Belastungen hinzu – und das dauerhaft.

Neue Schneisen – alte Probleme

Am Beispiel Teupitz lässt sich die Problematik konkret aufzeigen. Zwar dominieren dort Kiefern, doch durch Waldumbau sollen klimaresistentere Mischwälder entstehen. Dieses Vorhaben verlangt zusammenhängende Flächen. Windkraftanlagen mit Zufahrten, Trassen und Fundamenten zerschneiden das Gelände jedoch – physisch und klimatisch. „Windräder sind grundsätzlich eine zusätzliche Stressquelle für Wälder“, so Ibisch.

Die Eingriffe führen zu einer Aufheizung des Waldbodens. Offene Flächen, etwa durch Rotorflächen oder Schwerlastwege, speichern Hitze und trocknen das Mikroklima aus. Die Folge: erhöhte Verdunstung und damit Wasserentzug. Der Effekt erinnert an Staubsauger, die die feuchte Luft absaugen. Hinzu kommt die Verdichtung des Bodens durch schwere Maschinen – ein weiterer Stressfaktor für ohnehin geschwächte Wälder.

Brandgefahr durch Mikroklima

Das Austrocknen des Waldes erhöht das Waldbrandrisiko erheblich. Entscheidend ist das sogenannte Dampfdruckdefizit: Je wärmer die Luft, desto mehr Wasser nimmt sie auf – exponentiell. Schon ein Temperaturanstieg von 20 auf 40 Grad verdreifacht die Verdunstungsleistung. Das trocknet Waldboden, Reisig und Nadelstreu extrem aus.

Satellitendaten zeigen, dass sich Lichtungen durch Windräder deutlich stärker aufheizen als geschlossene Baumkronen. Solche Temperaturunterschiede von bis zu zehn Grad fördern die Entstehung lokaler Hitzepole mitten im Wald. In diesen Zonen fehlt die natürliche Kühlwirkung – mit gefährlichen Folgen für Pflanzen, Tiere und Boden.


Verlust von Lebensraum

Auch Tierarten wie Fledermäuse und Vögel leiden unter Windkraftanlagen. Zwar sterben viele durch Kollisionen, doch neue Forschung zeigt: Besonders empfindliche Arten meiden die Umgebung dauerhaft. Ultraschallgeräusche irritieren beispielsweise Fledermäuse, ihre Aktivität rund um Windräder sinkt messbar. Dabei erfüllen gerade sie eine zentrale Funktion im Waldökosystem – etwa bei der Schädlingsbekämpfung.

Ein zusätzlicher Aspekt: Der Status „Landschaftsschutzgebiet“ erlaubt zwar bestimmte Eingriffe, doch Windräder widersprechen genau den Schutzkriterien, die solche Gebiete auszeichnen. Viele dieser Flächen wurden wegen ihrer besonderen Naturqualität unter Schutz gestellt. Technische Großanlagen stellen diesen Anspruch grundsätzlich infrage.

Infrastruktur gezielt nutzen

Für Ibisch liegt die Lösung auf der Hand: Windkraft sollte dort entstehen, wo der Mensch bereits in die Natur eingegriffen hat. Breite Streifen entlang von Autobahnen oder anderen Infrastrukturachsen bieten sich an. Hier stößt zusätzliche Technik auf bereits veränderte Landschaft – der Schaden hält sich in Grenzen. Kleinere, gezielter platzierte Anlagen wären hier deutlich geeigneter als riesige Rotoren in sensiblen Waldgebieten.

Der Wald als Einnahmequelle

Dennoch entscheiden sich immer mehr Waldbesitzer für Windkraft im Forst. Der Grund liegt auf der Hand: Finanziell lohnt es sich. Während die Forstwirtschaft oft nur geringe Erlöse abwirft, locken Windkraftbetreiber mit bis zu 70.000 Euro pro Anlage und Jahr. Zum Vergleich: Ein Hektar Kiefernwald bringt nur rund 100 Euro ein. Für viele ist das wirtschaftliche Überleben nur durch Pachteinnahmen gesichert.

Doch genau hier liegt die Gefahr. Wenn kurzfristiger Profit über langfristigen Naturschutz gestellt wird, verliert der Wald seine Funktion als Klimapuffer – ausgerechnet in einer Zeit, in der seine Rolle wichtiger ist als je zuvor.

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