Schon Ende Juli 2022 hat die Bundesregierung entschieden, dass der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand zwischen Windrädern und dem Flugsicherungsradar sinken darf. Dies soll den Ausbau der Windkraft fördern (ZEIT, 01.08.2022).
Keine Beeinträchtigung der Flugsicherheit
Den bislang geltende Mindestabstand von 15 km zwischen einem Windrad und der nächsten Radaranlage für eine Flugsicherung hat man vor vielen Jahren aufgrund der damals eingesetzten Technik und des damaligen Wissens um mögliche Gefahren recht willkürlich festgelegt. In anderen Staaten herrschen abweichende Abstände. Nun wird er auf 7 km verringert, was keine Beeinträchtigung der Flugsicherheit bedeuten soll. Betroffen sind neben den Radaranlagen für die Flugsicherung auch diejenigen für Wetterprognosen. Die entsprechende Neuverordnung für die geringeren Abstände gilt schon seit dem 1. August 2022. Beschlossen wurde sie gemeinschaftlich vom Wirtschafts- und Verkehrsministerium. Es sollen mehr Flächen für Windräder entstehen, wofür die DFS (Deutsche Flugsicherung) ihre Anlagenschutzbereiche verkleinert. Entsprechende Verhandlungen zwischen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) waren ab April 2022 gelaufen.
Habeck ließ seine Fachleute vorrechnen, dass man dadurch 5 GW mehr Strom aus Windkraft gewinnen könne. So viel verbraucht beispielsweise die Stadt Berlin. Nach dem derzeitigen Stand der Windkrafttechnik könnten diesen Strom etwa 1.200 Anlagen produzieren, die sich durch den verkleinerten Abstand zusätzlich bauen ließen. Der für die Flugsicherung zuständige Verkehrsminister Wissing ließ sich überzeugen. Es spricht wohl auch sicherheitstechnisch nichts gegen die geringeren Abstände. Die Bedenken, dass ein Windrad Radarsignale stören könnte, gelten inzwischen als ausgeräumt. Sie hatten zur vorherigen Regelung des 15-km-Radius geführt, in welchem kein Windrad in der Nähe der Radanlage auftauchen durfte.
Wieso kann ein Windrad das Flugsicherungsradar stören?
Windräder haben bis zu 16 m dicke Türme aus Stahlbeton. Das Flugsicherungsradar kann diese Türme nicht durchdringen. Daher ist es in der Tat so, dass ein sehr nahe bei einer Radarstation stehendes Windrad deren Leistung beeinträchtigen kann. Im Falle der Flugsicherung könnte das sehr prekäre Folgen haben. So könnten gerade etwas kleinere Flugobjekte wie Hubschrauber und erst recht Drohnen komplett übersehen werden. Allerdings war auch schon vor Jahren klar, dass dies eher für kleinere Flughäfen gilt, auf denen auch nur kleinere Flugzeuge landen. Inzwischen ist man sich einig, dass selbst dort 7 km Abstand vollkommen genügen sollten.
Schleppender Windkraftausbau soll forciert werden
Die für die Windkraft zuständigen Verbände beklagen seit einigen Jahren eine deutliche Stagnation beim Windkraftausbau. Im Wesentlichen sind es der Fachverband VDMA Power Systems und Bundesverband Windenergie. Sie rechneten unlängst vor, dass zwischen Januar und Juni 2022 in Deutschland an Land nur 238 neue Windräder errichtet wurden. Ihre Gesamtleistung beträgt 977 MW. Das ist kein Fortschritt gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Deutschland hat sich aber selbst Ausbauziele für die Windkraft gesetzt. Um diese zu erreichen, müsste das fünffache Volumen gebaut werden, wie die Experten der beiden Verbände vorrechnen. Nötig ist das unter anderem, um wirklich bis 2030 aus erneuerbaren Energien 80 % unseres Stroms zu beziehen, wie es die Bundesregierung zuletzt wieder formuliert hat. Im Jahr 2022 stehen wir bei knapp unter 50 %. Es müssen für dieses Ziel auf 2 % der gesamten Bundesfläche (Landfläche) Windräder stehen, was doppelt so viele wie gegenwärtig wären. Die Verringerung des Abstandes zu Radaranlagen ist ein kleiner Schritt auf diesem Weg.
Lesen Sie auch:
- Windkraftausbau: Wunschdenken und Realität
- Zuwenig Investoren für neue Windkraftanlagen
- Ausbau der Windkraft – Plan und Wirklichkeit
- Hacker greifen deutsche Windkraftanlagen an
- Naturschutzbund will keine Windkraftanlagen im Wald