Eine aktuelle Untersuchung der Deutschen Wildtier Stiftung zeigt alarmierende Ergebnisse. Windräder stehen in vielen Fällen zu nah an Schutzgebieten, obwohl dort seltene Arten wie Rotmilan, Schreiadler oder Wiesenweihe leben. „Viele Anlagen stehen sogar innerhalb der Schutzgebietsgrenzen“, so das Fazit. Rotorblätter töten demnach alle 15 Brutvogelarten, die vom Gesetzgeber als besonders kollisionsgefährdet gelten. Der Vogelschutz in Deutschland erweist sich dadurch als unzureichend. (Deutsche Wildtier Stiftung, 14.08.2025)
Umweltverbände zwischen Klimaschutz und Vogelschutz
Die Studie sticht aus drei Gründen hervor. Erstens gelten deutsche Umweltorganisationen seit Jahren als Unterstützer der Windenergie. Klimaschutz durch weniger CO₂-Emissionen gilt für viele als oberste Priorität. Dennoch hebt die Deutsche Wildtier Stiftung ausdrücklich hervor, dass sie den Ausbau erneuerbarer Energien befürwortet. Zweitens verweist die Untersuchung auf die vermutete Rechtswidrigkeit zahlreicher Windkraftanlagen. Denn trotz genehmigter Verfahren könnten viele Projekte nicht mit dem EU-Recht vereinbar sein. Drittens deckt die Analyse nur den Zeitraum bis Ende 2021 ab. Seitdem kamen zahlreiche neue Anlagen hinzu, was den Druck auf die Natur weiter erhöht. Nach Branchendaten existieren heute rund 30.000 Windräder in Deutschland.

Im Fokus steht dabei die Nähe zu Schutzgebieten. Rund 500 Windkraftanlagen liegen innerhalb dieser Areale. Zudem befinden sich 60 Prozent der ausgewiesenen Zonen in einem rechtlich relevanten Prüfbereich. Eigentlich gilt: Je näher eine Anlage an Brutplätzen, desto strenger müssen die Auflagen sein. Doch in der Praxis reicht der Vogelschutz nicht aus, um die Tiere vor den Rotorblättern zu bewahren.
Politischer Rückenwind für Windkraft
Die politischen Rahmenbedingungen verstärken den Trend. Mitte 2024 senkte der Bundestag die Hürden für Genehmigungen. Gleichzeitig stiegen die Vergütungen. Betreiber profitieren von hohen Einnahmen, während Landbesitzer im Extremfall bis zu 400.000 Euro Pacht pro Jahr erhalten. Selbst die Untergrenze von 20.000 bis 70.000 Euro gilt als lohnend. So entstand eine regelrechte Goldgräberstimmung, die sich vom wirtschaftlichen Abschwung im Land abgekoppelt hat.
Gleichzeitig sorgt der Konflikt in Regionen wie dem Reinhardswald für Schlagzeilen. Der als „Grimms Märchenwald“ bekannte Naturraum wird seit Jahren von Windkraftplänen überschattet. Dort kämpfen Anwohner und Naturschützer gegen den Eingriff, doch die Erfolgsaussichten bleiben gering. Denn Windkraft besitzt ein positives Image, erhält staatliche Förderung und gilt als zukunftssicherer Industriezweig.
Lücken im Naturschutzrecht schwächen den Vogelschutz
Die Studie kritisiert, dass das Bundesnaturschutzgesetz zahlreiche Arten nicht berücksichtigt. Betroffen sind unter anderem Schwarzstorch und Uferschnepfe. Fachleute empfehlen zudem größere Abstände zwischen Brutplätzen und Windrädern, als sie der Gesetzgeber aktuell vorschreibt. Dennoch genehmigen Behörden regelmäßig Ausnahmen. Das führt dazu, dass das Tötungsrisiko für Vögel bewusst in Kauf genommen wird. „Die Rotoren dürfen sich drehen, obwohl das Risiko besteht, dass die Tiere erschlagen werden“, heißt es in der Untersuchung.
Auch wenn das Gesetz theoretisch strenge Abschaltzeiten vorsieht, bleiben diese in der Praxis begrenzt. Betreiber profitieren davon, während die Natur die Folgen trägt. Laut BUND sterben jährlich rund 100.000 Vögel durch Windräder. Die Deutsche Wildtier Stiftung verweist jedoch weniger auf die Zahl der Opfer, sondern auf die Nähe der Anlagen zu Schutzgebieten. Genau dort verliert der Vogelschutz seine Schutzfunktion für die bedrohten Arten.
Fragwürdige Rechtssicherheit für Betreiber
Die Autoren der Untersuchung halten zahlreiche Genehmigungen für potenziell rechtswidrig. Nach europäischem Recht hätten viele Windräder gar nicht gebaut werden dürfen. Dennoch sehen die Experten keine Gefahr für die Betreiber. Denn Vertrauensschutz und Rechtssicherheit verhindern, dass bestehende Anlagen abgeschaltet werden müssen. Auch jene, die mitten in Schutzgebieten stehen, dürfen weiterlaufen.
Für die Vögel bedeutet das ein hohes Risiko. Zwar betonen alle Beteiligten die Bedeutung der Energiewende, doch der Preis dafür trifft sensible Lebensräume. Schutzgebiete existieren nicht ohne Grund. Die aktuelle Studie zeigt, wie schwach der Vogelschutz im Alltag tatsächlich durchgesetzt wird. Damit droht die Energiewende zum Risiko für Arten zu werden, die ohnehin schon unter Druck stehen.
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