Nachdem über die Pipeline Nord Stream 1 immer weniger Gas gekommen war, haben sich die Menschen im Land nach anderen Heizmöglichkeiten umgeschaut. Der Verkauf von Brennholz und elektrischen Zusatzheizern wie Heizlüfter und Ölradiatoren explodierte geradezu. Deshalb gab es bereits Warnungen verschiedener Netzbetreiber, dass es zu einem Blackout kommen könnte, wenn diese Zusatzheizgeräte gleichzeitig in Betrieb genommen werden. Seither versucht die Regierung die Menschen mit der Meldung zu beruhigen, dass sich die Gasspeicher schneller füllen als geplant (Deutschlandfunk: 10.08.22). Damit suggeriert man den Verbrauchern, dass die Gasversorgung für den Winter gesichert wäre. Doch wie lange reicht das Gas in den Gasspeichern wirklich?
Gasspeicher gleichen lediglich Differenz zwischen Zu- und Abfluss aus
Die Gasspeicher sind eine Art atmende Lunge, die die Differenz zwischen eingespeistem Gas durch die Lieferanten und abgenommenem Gas durch die Verbraucher ausgleichen. In den Sommermonaten wird weniger Gas abgenommen und damit füllen sich in der Regel die Speicher. In der Heizperiode wird umgekehrt mehr abgenommen als eingespeist, dadurch reduziert sich der Speicherstand. Die Gasversorgung erfolgt aber nie ausschließlich durch die Speicher.
Speicherkapazität beträgt ein Viertel des Jahresverbrauchs
Die gesamte Speicherkapazität aller deutschen Gasspeicher beträgt 256 Terawattstunden (TWh). Das ist ungefähr ein Viertel des deutschen Jahresverbrauchs. Dieses Speichervolumen reicht damit für maximal zwei kalte Wintermonate. Zurzeit sind die Speicher ungefähr zu dreiviertel gefüllt. Damit würde das Gas rein theoretisch für circa 6 bis 9 Wochen reichen. Deutschland hat zwar den Anteil russischer Gaslieferungen von bisher 55 auf 26 Prozent reduziert. Aber ganz ohne russisches Gas werden wir nicht über einen kalten Winter kommen. Die Gaslieferungen aus den Niederlanden und Norwegen würden dazu schlicht nicht ausreichen und Flüssiggas steht bei weitem nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung, um die russischen Liefermengen zu ersetzen.
Reine Fokussierung auf Speicherstände ist nicht sinnvoll
Eine reine Fokussierung auf die Gasspeicherstände ist deshalb auch nicht sinnvoll. Nach einer Studie von Wirtschaftswissenschaftlern müsste Deutschland beim Ausbleiben russischer Gaslieferungen mindestens weitere 20 Prozent Gas einsparen, um über den Winter zu kommen (econtribute: 08.22). Dies gelte auch dann, wenn die bereits geplanten Flüssiggasterminals noch dieses Jahr in Betrieb gehen. In der Studie heißt es dazu: „Wenn man die Einsparungen im Gasverbrauch einrechnet, die sich durch alternative Energiequellen in der Stromerzeugung erzielen lassen, verbleibt eine Anpassung von rund 20 Prozent, die von Industrie, Haushalten, Gewerbe und dem öffentlichen Sektor getragen werden muss“.
Sollten die russischen Gaslieferungen ausbleiben, ist die Gasversorgung also selbst dann nicht gewährleistet, wenn alle Speicher randvoll sind. Helfen kann dann nur noch ein besonders milder Winter.
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