Deutschland hat im vergangenen Jahr aus Angst vor einer Gasknappheit eine große Menge Erdgas eingekauft. Die geschätzten Kosten dafür belaufen sich auf etwa 10 Milliarden Euro. Durch die mittlerweile stark gefallenen Gaspreise entsteht ein Verlust von mindestens 7 Milliarden Euro. Nach der neusten Entscheidung der Regierung müssen die Verbraucher diesen Verlust ab dem 1. Juli durch einen Aufschlag auf den Gaspreis über vier Jahr bezahlen (euractiv: 30.06.23).
Teurer Gaseinkauf: 10 Milliarden Euro für deutsche Gasspeicher – 37 Terawattstunden unverkauft
Die Einfuhren von russischem Gas betrugen im Jahr 2021 insgesamt 501 Terawattstunden. Aufgrund der westlichen Sanktionen als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine kam im Spätsommer 2022 deutlich weniger Gas aus Russland nach Deutschland. Um mögliche negative Folgen wie kalte Haushalte und stillgelegte Fabriken zu vermeiden, hat die deutsche Bundesregierung grünes Licht gegeben, um einen massiven Gaseinkauf zu ermöglichen. Dafür stellte die Regierung ein beträchtliches Startkapital Verfügung.
Die Verantwortlichen bei Trading Hub Europe (THE) haben schließlich 50 Terawattstunden Gas auf den globalen Märkten erworben, um die Gasspeicher vor dem Winter aufzufüllen. Am 1. November 2022 waren die Gasspeicher zu 95 Prozent gefüllt.
Allerdings erwiesen sich die deutschen Einkäufe aufgrund der gestiegenen Gaspreise im vergangenen Jahr als extrem teuer, denn THE zahlte letztendlich jeden geforderten Preis an den Spotmärkten. Der Preis erreichte im Sommer auf dem niederländischen TTF-Index deshalb sogar einen Höchststand von 300 Euro pro Megawattstunde. Im Durchschnitt zahlte THE wohl über 170 Euro pro Megawattstunde Gas. Die Gesamtkosten beliefen sich somit auf fast 10 Milliarden Euro. Von den teuren Gasreserven sind bis heute 37 Terawattstunden unverkauft geblieben.
THE droht Verlust von 7 Milliarden Euro – Verbraucher werden zur Kasse gebeten
Durch den Verkauf erzielte THE bisher einen Verkaufserlös in Höhe von 1 Milliarde Euro. Da die Gaspreise in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht über 50 Euro pro Megawattstunde steigen werden, wird THE voraussichtlich einen Verlust von mindestens 7 Milliarden Euro erleiden. Allerdings haftet das Unternehmen nicht für diese Verluste.
Die deutsche Regierung hat THE durch ein Gesetz dazu verpflichtet, die Gasspeicher vor dem Winter 2022/23 möglichst vollständig zu füllen. Als Ausgleich durfte das Unternehmen eine Gebühr von den regionalen Versorgungsunternehmen erheben, die diese Kosten an die Verbraucher weitergeben können. Laut EFET Deutschland, dem Verband der Energiehändler, stellt dies ein großes Problem für Vertriebe, Händler und Endkunden dar, da es die Wirtschaftlichkeit bestehender Handelsgeschäfte erheblich beeinträchtigt. Dieses Risiko wird voraussichtlich zu zusätzlichen Kosten für die Endkunden führen, so der Verband.
Deutsche Verbraucher zahlen doppelten Aufpreis von 1,45 Euro/MWh – Gesamtkosten von 120 Euro pro Haushalt
Ab dem 1. Juli werden deutsche Verbraucher über einen Zeitraum von vier Jahren einen Aufpreis von 1,45 Euro pro Megawattstunde (MWh) Gas zahlen. Dies bedeutet eine Verdopplung des bereits im Jahr 2022 eingeführten Aufpreises. Diesen Plan hat die Bundesregierung am Mittwoch, genehmigt. Schätzungen zufolge wird dies zu Gesamtkosten von 120 Euro pro Haushalt führen.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat eine Stellungnahme auf Anfrage von EURACTIV abgelehnt.
Die Bundesregierung betont, dass das Gesetz Mindestspeichermengen vorschreibt. Es stellt die Entschädigung für die Gaseinkäufe durch THE sicher. Das Gesetz ist ein „sehr wichtiger Baustein“. Es hilft dabei, einen Gasmangel zu vermeiden und die Situation unter Kontrolle zu bringen.
Da die Gasversorgung in Deutschland jedoch immer noch nicht gesichert ist, will die Regierung das Gasspeichergesetz bis 2027 verlängern. „Die Sicherstellung der Gasversorgung bleibt eine wichtige Aufgabe“, so das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Deutschland baut rasch LNG-Infrastruktur aus – Volle Gasspeicher und nicht ausgelastetes Terminal in Lubmin
Um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen, hat Deutschland schnell eine Infrastruktur aufgebaut, um verflüssigtes Erdgas von den Weltmärkten zu importieren und einen Engpass im Winter zu vermeiden. Aktuell sind drei schwimmende LNG-Terminals in Betrieb, während drei weitere voraussichtlich bis Ende 2023 in Betrieb gehen. Mit insgesamt fünf staatlichen und einem privaten schwimmenden LNG-Terminal wird die deutsche LNG-Importkapazität auf 30 Milliarden Kubikmeter erhöht.
Diese Kapazität würde ausreichen, um russisches Gas nahezu vollständig zu ersetzen, insbesondere wenn die Gasimporte aus den Nachbarländern und deren LNG-Terminals hoch bleiben.
Die deutschen Gasspeicher sind besser gefüllt als erwartet. Sie liegen bei 80 Prozent, was über dem EU-Durchschnitt von 76 Prozent und dem saisonalen Durchschnitt liegt. Dadurch könnten die heimischen LNG-Importe und die damit verbundene Infrastruktur, die etwa 6,5 Milliarden Euro kosten wird, eine geringere Rolle spielen als erwartet.
Insbesondere das private LNG-Terminal in Lubmin, das von der Deutschen ReGas betrieben wird, scheint weit unter seiner Kapazität zu arbeiten. Laut der Bundesnetzagentur wurden bis März 2023 weniger als 1 Milliarde Kubikmeter Gas ins Netz eingespeist, obwohl das Terminal eine Kapazität von mehr als 1,6 Milliarden Kubikmetern pro Quartal hat.
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