US-Konzern Dow vor Rückzug – Chemie-Standorte in Ostdeutschland vor dem Kollaps

Mit der Ankündigung des US-Konzerns Dow, die Werke in Böhlen und Schkopau auf den Prüfstand zu stellen, droht Ostdeutschland der industrielle Absturz. Die Standorte bilden das Herz eines eng verzahnten Chemienetzwerks, an dem tausende Existenzen hängen (focus: 27.06.25).


Dow gefährdet gesamtes Chemiedreieck

Im Mitteldeutschen Chemiedreieck zwischen Bitterfeld, Merseburg und Halle ist die Dow-Produktion zentral. Hier entstehen Grundstoffe, die für viele Betriebe unverzichtbar bleiben. Ein Ausfall dieser Schlüsselproduktion gefährdet nicht nur Arbeitsplätze, sondern die gesamte industrielle Struktur der Region.

Dow prüft den Rückzug aus Ostdeutschland. Chemieindustrie, Jobs und Kommunalfinanzen geraten in Gefahr. Die Region steht vor dem Absturz
Dow prüft den Rückzug aus Ostdeutschland. Chemieindustrie, Jobs und Kommunalfinanzen geraten in Gefahr. Die Region steht vor dem Absturz

Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis warnt: „Hier stehen nicht allein Hunderte gut bezahlter und tariflich sauber geregelter Arbeitsplätze auf dem Spiel, sondern die industrielle Zukunft einer ganzen Region.“ Zahlreiche mittelständische Firmen und Zulieferer könnten mit in den Abgrund gezogen werden.

Countdown zur Entscheidung läuft

Noch etwa fünf Wochen bleiben, bis Dow eine endgültige Entscheidung trifft. Im Raum stehen Leerlauf oder Stilllegung. Zeitgleich erscheinen die nächsten Quartalszahlen – die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnten das Zünglein an der Waage sein.

Obwohl Bundeskanzler Friedrich Merz laut Medien bereits mit der Dow-Spitze sprach, liegt noch kein Ergebnis auf dem Tisch. In der Region wächst die Anspannung. Denn ein Stillstand in Böhlen und Schkopau zieht Kreise, die weit über einzelne Standorte hinausreichen.

Bitterfeld als Symbol der Abhängigkeit

Ein Blick nach Bitterfeld-Wolfen zeigt, was auf dem Spiel steht. Dort arbeiten rund 15.000 Menschen in und um den Chemiepark – viele davon in Betrieben, die auf chemische Vorprodukte angewiesen sind. Nach Schätzungen der Nordostchemie-Verbände hängen an jedem Arbeitsplatz in der Chemiebranche drei weitere in anderen Sektoren.

Auch die Finanzkraft der Stadt hängt am Industriezweig. Für 2025 rechnet die Kommune mit 33 Millionen Euro an Gewerbesteuer. Zusammen mit dem Einkommenssteueranteil ergibt das fast 60 Prozent der Einnahmen. Davon profitieren auch Nachbargemeinden, denn Bitterfeld-Wolfen leitet rund 22,5 Millionen Euro an andere Kommunen weiter. Bricht dieser Strom ab, droht ein Flächenbrand.


Das industrielle Herz Ostdeutschlands steht auf dem Spiel

Die Anlagen von Dow in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind nicht austauschbar. Ihre Funktion als Rohstofflieferant für die gesamte Region macht sie unersetzlich. Ein Produktionsstopp hätte Auswirkungen auf Lieferketten, Beschäftigung und öffentliche Haushalte – bis in kleinste Gemeinden hinein.

„Die Hütte brennt“, warnt Nora Schmidt-Kesseler von den Nordostchemie-Verbänden. „Eine solche Situation habe ich in den vergangenen zehn Jahren noch nicht erlebt.“ Ihre Einschätzung zeigt, wie tief die Verunsicherung reicht. In Ostdeutschland droht nicht weniger als ein industrieller Kontrollverlust.

Jetzt braucht es politischen Mut

Die Uhr tickt. Ohne klare politische Zusagen wird sich Dow kaum auf einen Weiterbetrieb einlassen. Ein Rückzug des Konzerns könnte andere Produzenten zum selben Schritt verleiten. Dann wäre der Schaden kaum noch aufzuhalten.

Die Bundesregierung muss jetzt Verantwortung übernehmen. Denn hinter der aktuellen Krise steckt mehr als unternehmerische Rationalität – es geht um die Zukunft einer ganzen Region.

Lesen Sie auch:

Nach oben scrollen