Ungarns Pläne für ein weiteres Atomkraftwerk schreiten voran. Neben dem bestehenden Standort Paks prüft die Regierung eine neue Anlage, ausgestattet mit kleinen modularen Reaktoren. Laut Atomenergie-Experte Hárfás Zsolt bleibt das Zieljahr 2030 realistisch, sofern die Genehmigungsprozesse zügig verlaufen. Der Ausbau soll wachsende Strombedarfe decken, wetterabhängige erneuerbare Energien ausgleichen und die Versorgungssicherheit langfristig sichern (magyarnemzet: 08.08.25).
Pläne für kleine modulare Reaktoren
Die aktuellen Pläne von Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó gelten als klares Signal. Geplant ist der Einsatz von kleinen modularen Reaktoren, sogenannten SMR. Energieminister Lantos Csaba hatte bereits 2023 betont, dass „in Ungarn frühestens 2029–2030 der Erwerb eines oder mehrerer kleiner modularer Reaktoren auf die Agenda kommen könnte“. Nun stehen neben der amerikanischen GE Vernova auch die Rechteinhaber der Technologie, das polnische Unternehmen Synthos Green Energy, im Gespräch. Konkret geht es um den BWRX-300, eine neue Reaktorgeneration.

Bild: ©Paks2
Unabhängig von diesen Plänen bleibt die Lebensdauerverlängerung des bestehenden Kraftwerks in Paks ein zentrales Ziel. Auch das Projekt Paks II genießt höchste Priorität. Moskau und Budapest verfolgen den Bau weiterhin entschlossen. Selbst US-Sanktionen gegen die beteiligte russische Bank blockieren die Finanzierung nicht mehr.
Technologische Herausforderungen
Trotz politischer Signale existiert die BWRX-300-Technologie bislang nur auf dem Papier. Kommerzielle Anlagen dieser Bauart laufen weltweit noch nicht. Kanada plant derzeit vier solcher Reaktoren am Standort Darlington. Die erste Einheit erhielt im April die Baugenehmigung. Fachleute verweisen jedoch auf einen entscheidenden Faktor: Bei einem Bedarf von 1200 MW installierter Leistung lohnt sich oft ein traditioneller Reaktor stärker als mehrere kleine Module.
Für Ungarn hält Hárfás Zsolt das Jahr 2030 weiter für erreichbar. Voraussetzung ist die Zustimmung des Parlaments. Nach dem Atomgesetz, ähnlich wie bei der 2009 gefassten Entscheidung zu den beiden neuen Paks-Blöcken, bedarf es auch für neue Einheiten einer entsprechenden Beschlussfassung. Gleichzeitig muss das rechtliche Regelwerk angepasst werden, um die SMR-Technologie im Land zulassen zu können.
Finanzierung und Eigentumsfrage
Vor einer endgültigen Entscheidung sind mehrere Fragen zu klären. Neben der Auswahl des passenden Typs zählt die Finanzierung zu den zentralen Punkten. Nach Ansicht von Hárfás Zsolt sollten solche Reaktoren ausschließlich in staatlicher Hand liegen. Dies entspräche dem nationalen Interesse und würde die Kontrolle über eine strategische Infrastruktur sichern. Die Pläne umfassen daher auch eine klare Eigentumsregelung, die ausländische Mehrheitsbeteiligungen ausschließt.
In der Vergangenheit fielen bei der Technologieauswahl auch die Namen Westinghouse, Rolls-Royce und EDF. Dennoch gilt der russische Konzern Rosatom derzeit als führend in der Entwicklung und im Betrieb kleiner modularer Reaktoren. Das exportfähige Modell RITM-200 basiert auf einer Technologie, die ursprünglich für Atomeisbrecher entwickelt wurde.
Internationale Erfahrungen
Usbekistan plant, die russische Variante zu nutzen, und könnte die Anlage 2028 in Betrieb nehmen. Noch weiter nördlich, in Pevek am Arktischen Ozean, läuft bereits seit fünf Jahren die weltweit erste schwimmende Atomanlage. Diese versorgt die Region sowohl mit Strom als auch mit Wärme. SMR-Technologien eignen sich somit nicht nur für die Stromproduktion, sondern auch für die Wärmeversorgung. Solche internationalen Beispiele zeigen, wie ehrgeizige Pläne durch technologische Kooperation realisiert werden können.
Ungarn steht damit vor einer strategischen Entscheidung. Die Kombination aus wachsenden Energiebedarfen, politischer Unterstützung und technologischen Optionen könnte „Paks III“ zu einem der wichtigsten Infrastrukturprojekte des kommenden Jahrzehnts machen.
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