Die deutsche Strombörse erlebt eine Ausnahmesituation: Windmangel, steigende Strompreise und der massive Einsatz fossiler Energieträger bringen das Energiesystem ins Wanken. An der Pariser Epex Spot kletterte der Preis für den Folgetag auf 156,14 Euro pro Megawattstunde – ein Achtmonatshoch. Die schwache Windleistung legt offen, wie empfindlich die Energiewende auf Wetterextreme reagiert. Während Kohlekraftwerke kurzfristig einspringen, steigen die Kosten rapide an und treffen Verbraucher wie Industrie gleichermaßen (bloomberg: 13.10.25).
Windmangel erzwingt fossile Ersatzproduktion
Ein stabiles Hochdruckgebiet über Mitteleuropa sorgt für fast windstille Tage. Laut Bloomberg-Modell liegt die durchschnittliche Windstromproduktion bei nur 8,3 Gigawatt – weniger als die Hälfte des Vormonats. Der Windmangel zwingt Betreiber dazu, vermehrt auf Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke zu setzen. Diese Anlagen verursachen hohe Brennstoff- und CO₂-Kosten, was die Strompreise an der Epex Spot in die Höhe treibt.

Besonders kritisch zeigt sich die Lage in den Abendstunden. Zwischen 18:45 Uhr und 19:00 Uhr erreichte der Preis stellenweise über 500 Euro pro Megawattstunde. Solche Spitzen belasten das Netz und zeigen, wie sehr fehlender Wind das gesamte Marktsystem aus dem Gleichgewicht bringt. Der Windmangel wirkt damit wie ein Brandbeschleuniger im ohnehin angespannten Energiemarkt.
Kohlekraftwerke erleben kurzfristige Renaissance
Der Rückgang der Windenergie führt zu einer spürbaren Renaissance fossiler Erzeugung. Am Montag lag die Stromproduktion aus Kohlekraftwerken bei über 6 Gigawatt – dem höchsten Wert seit April. Diese Entwicklung sichert zwar kurzfristig die Versorgung, treibt jedoch langfristig die Strompreise und Emissionen gleichermaßen.
Mit dem Einsetzen kühlerer Temperaturen steigt die Nachfrage nach Strom. Händler beobachten die Wetterdaten genau, da der Windmangel schnell zu Preissprüngen führt. Die Epex Spot reagiert in solchen Phasen empfindlich, denn geringe Windprognosen lassen die Gebote für konventionelle Energieformen explodieren. So verschiebt sich die gesamte Energiewende wieder stärker hin zu fossilen Reserven – ein Rückschritt, der politisch und ökonomisch gleichermaßen belastet.
Europa spürt die Folgen der Flaute
Frankreich steht vergleichsweise stabil da. Dort liegt der Day-Ahead-Preis bei 95,11 Euro pro Megawattstunde – weit unter dem deutschen Niveau. Grund dafür ist der hohe Anteil an Kernenergie: 57 Reaktoren sichern eine Grundlast, die auch bei Windmangel konstant bleibt. Damit kann Frankreich die Auswirkungen schwankender Erneuerbarer besser abfedern.
Andere EU-Länder stehen jedoch vor ähnlichen Herausforderungen. Staaten mit hohem Windanteil müssen teure Reservekapazitäten vorhalten, um den Einfluss des Windmangels zu mindern. Die Preisexplosion in Deutschland zeigt deutlich, dass reine Wetterabhängigkeit die Energiewende in Krisenzeiten an ihre Grenzen führt. Ohne zusätzliche Speicher, flexible Netze und Reserveleistung bleibt die Versorgung unsicher.
Energiewende zwischen Anspruch und Realität
Die aktuelle Lage zeigt: Ein stabiles Stromsystem benötigt mehr als nur den Ausbau von Wind- und Solaranlagen. Der Windmangel offenbart die Schwächen einer Politik, die Flexibilität und Speicherlösungen zu langsam vorantreibt. Kurzfristige Abhängigkeiten von Kohlekraftwerken sind das direkte Resultat dieser Strategie.
Damit die Energiewende dauerhaft tragfähig bleibt, braucht es ein Zusammenspiel aus Wetterprognosen, Speichertechnologien und internationalem Stromhandel. Nur durch eine ausgewogene Struktur lässt sich verhindern, dass Naturphänomene wie der Windmangel regelmäßig für Rekord-Strompreise sorgen und das Vertrauen in die Transformation schwächen.
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