Die neue schwarz-rote Koalition unter Friedrich Merz verspricht eine deutliche Entlastung beim Strompreis. Mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde sollen Verbraucher weniger zahlen – ein Vorhaben, das schnell wirken und vor allem Familien und kleinere Betriebe spürbar entlasten soll. Doch eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Die Kosten dieser Maßnahme sind enorm – und treffen den Bundeshaushalt in Milliardenhöhe (nzz: 24.05.25).
Entlastung auf Kosten öffentlicher Kassen
Geplant ist, die Stromsteuer auf das EU-Minimum zu senken, drei Umlagen abzuschaffen und die Netzentgelte zu bezuschussen. Für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden bedeutet das laut IW rund 220 Euro weniger auf der Stromrechnung. Auch kleinere Unternehmen könnten um bis zu fünf Cent pro Kilowattstunde entlastet werden.

Doch diese Erleichterung bezahlt der Staat. Die IW-Ökonomen rechnen mit jährlichen Mehrkosten von über 21 Milliarden Euro – finanziert aus dem Bundeshaushalt. Zwar wurden bislang keine Steuererhöhungen beschlossen, doch der finanzielle Spielraum des Staates schrumpft massiv. Künftige Haushaltsdebatten könnten die Konsequenzen dieser Entlastung spürbar machen – durch Einschnitte bei anderen Ausgaben oder neue Finanzierungsmodelle.
Entlastung jetzt – Finanzierung unklar
Die Stromrechnung sinkt, doch die tatsächlichen Kosten verschwinden nicht. Sie verlagern sich – weg vom Verbraucher, hin zum Staat. Diese Umverteilung trifft alle Steuerzahler, auch jene mit geringem Stromverbrauch. Das sozialpolitische Signal wirkt dadurch zwiespältig: Wer wenig verbraucht, spart kaum – trägt aber die vollen Staatskosten mit.
Der Eindruck einer kurzfristigen Entlastung entsteht, während die langfristige Finanzierung ungeklärt bleibt. Noch ist unklar, wie der Haushalt diese Zusatzbelastung dauerhaft tragen soll. Die Regierung greift zu einem einfachen Mechanismus: Entlastung auf dem Papier, mit unklaren Folgen für die öffentliche Hand.
Industrie erneut im Vorteil
Für die stromintensive Industrie gelten weiterhin Ausnahmen. Laut Energieökonom Thilo Schaefer lassen sich diese Unternehmen „nur sehr begrenzt weiter entlasten“. Deshalb plant die Koalition zusätzliche Hilfen – etwa einen speziellen Industriestrompreis und eine ausgeweitete Strompreiskompensation.
Auch diese Maßnahmen werden voraussichtlich aus dem Bundeshaushalt finanziert. Die Belastung wächst weiter, während die Verteilung der Kosten unausgewogen bleibt. Private Haushalte tragen nicht nur die eigenen Entlastungen mit, sondern finanzieren auch Industrievergünstigungen mit – obwohl sie selbst vergleichsweise wenig davon haben.
Fehlende Strukturreformen verschärfen das Problem
Die IW-Analyse kritisiert vor allem die fehlende langfristige Strategie. Die Maßnahmen gelten dort als „kurzfristiges Pflaster für ein größeres Problem“. Die Ursachen hoher Strompreise – etwa teure Infrastrukturen, Engpässe im Netz oder fehlende Marktanreize – bleiben unangetastet.
Das IW fordert stattdessen einen strukturellen Umbau des Stromsystems: Investitionen in erneuerbare Energien, mehr Speicherkapazitäten und günstigere Freileitungen statt teurer Erdkabel. Das würde echte Entlastung schaffen – dauerhaft und ohne Milliarden aus dem Haushalt.
Eine politische Entlastung mit offenem Preisschild
Friedrich Merz präsentiert die Strompreisreform als soziale Entlastung – doch sie bleibt ein teurer Taschenspielertrick. Die Rechnung zahlen alle, direkt über den Haushalt, indirekt möglicherweise später. Steuererhöhungen stehen aktuell zwar nicht zur Debatte, doch die Belastung für die öffentlichen Kassen ist real. Eine glaubwürdige Entlastungspolitik braucht mehr als kurzfristige Zuschüsse – sie braucht strukturelle Reformen und eine ehrliche Debatte über Kosten und Nutzen.
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