Mit den immer weiter steigenden Energiepreisen und der damit verbundenen Inflation geraten jetzt auch die Tafeln in Deutschland in Not: Die Zahl der Bedürftigen steigt täglich und die Lebensmittelspenden nehmen immer mehr ab. Von der Politik fühlen sie sich alleingelassen: Der Vorsitzende der Tafel Deutschland kommentiert die Situation so: „Wir können zugucken, wie Menschen in die Armut rutschen“. Die Tafeln können aber nicht das staatliche Sozialsystem ersetzen.
Steigende Energie- und Lebensmittelpreise treiben immer mehr Menschen zu den Tafeln
Steigende Lebensmittelpreise und sehr hohe Heizkosten führen dazu, dass viele Menschen, die keine finanziellen Reserven mehr haben, sich fragen müssen, heizen oder essen?
Die insgesamt 962 Tafeln in Deutschland, geben meist kostenfreie, gespendete Lebensmittel für armutsbetroffene Menschen aus. Allerdings verzeichnen diese bundesweit stark rückläufige Lebensmittelspenden, bei gleichzeitig stark zunehmender Kundschaft. Seit der Corona-Pandemie haben viele Supermärkte ihr Produktmanagement optimiert. Dies führt mittlerweile zu einem starken Rückgang der Lebensmittelspende. So werden dort immer mehr Lebensmittel kurz vor deren Ablaufdatum mit einem hohen Rabatt angeboten. Was vorher noch an die Tafeln verkauft wurde, versuchen die Märkte jetzt selbst noch zu verkaufen.
Zuwachs über 50 Prozent in wenigen Monaten
Alleine die 146 Tafeln in Baden-Württemberg verzeichnen einen Zuwachs von 49 Prozent. In Berlin ist die Anzahl der Bedürftigen von 40.000 im Frühjahr auf gut 74.000 im Juli angestiegen. Dazu werden in Berlin mehr als 90.000 Menschen, über andere soziale Einrichtungen, mit Lebensmitteln versorgt.
Gut 40 Prozent aller deutschen Tafeln verzeichnen eine Zunahme an Bedürftigen von 50 Prozent und mehr. Nordrhein-Westfalen vermeldet einen Zuwachs von bisher 350.000 Kunden auf 500.000 Menschen (haz;:24.08.22). Ein Drittel der Anlaufstellen hat mittlerweile einen Aufnahmestopp verhängt und nimmt keine Neuanmeldungen mehr an.
Behörden verweisen Flüchtlinge an die Tafeln
Die neue Kundschaft besteht überwiegend aus deutschen Studenten und Rentnern, sowie vielen Geflüchteten aus Syrien und der Ukraine. Die Tafeln bemühen sich, laut Brühl, die Menschen mit Bedarf zu unterstützen, doch: „Wir wollen und können nicht das staatliche Sozialsystem für armutsbetroffene Menschen ersetzen“. Brühl kritisiert zudem die Behörden, die ukrainische Geflüchtete an die Tafeln verweisen und damit den Eindruck vermitteln, diese seien eine staatliche Institution.
Massiver Ansturm im Herbst erwartet – Armutsbekämpfung vom Staat gefordert
Im Herbst erwarten die Verantwortlichen der Tafeln einen neuen Ansturm. Viele Menschen erhalten zurzeit eine Erhöhung der Mietnebenkosten. Beim Dachverband der Tafeln sieht man aufgrund der gestiegenen Energiepreise und Inflation akuten Handlungsbedarf in der Politik. „Armutsbekämpfung muss wieder auf die Agenda“, betont Brühl.
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