Das Stromnetz in Reutlingen stößt an seine Grenzen. Der Netzbetreiber FairNetz untersagt zahlreichen privaten Photovoltaik-Betreibern die Einspeisung. Rund 300 Haushalte mit neuen Anlagen sind von der sogenannten Null-Einspeisung betroffen. Für sie bedeutet das den Verlust einer wichtigen Einnahmequelle, da überschüssiger Strom nicht mehr vergütet wird. Die Ursache liegt im überlasteten Netz, das technisch nicht für die wachsende Zahl privater Erzeuger ausgelegt ist.
Überlastung trifft Reutlingen besonders hart
Wo genau die Engpässe bestehen, bleibt offen. FairNetz nennt lediglich die Überlastung durch die Vielzahl an Einspeisungen als Grund. „Das Stromnetz sei einfach technisch nicht auf die boomende Privatstromerzeugung eingestellt“, so das Unternehmen. Für Entlastung sollen neue Transformatoren, zusätzliche Ortsnetzstationen und kilometerlange Kabeltrassen sorgen. Doch gerade bei den Stationen gibt es Probleme. Kommunale Flächen reichen nicht aus, weshalb FairNetz private Eigentümer ab 16 Quadratmetern um Mithilfe bittet.

In Reutlingen speisen derzeit etwa 11.700 Photovoltaikanlagen Strom ins Netz. Damit nutzt jedes fünfte Dach Solarenergie. Wer eine neue Anlage errichtet, kann sie zwar in Betrieb nehmen, muss jedoch warten, bis die Einspeisung freigegeben ist. Auf netzanschlusspruefung.fairnetzgmbh.de können Interessierte prüfen, ob am eigenen Anschluss eine Einspeisung möglich ist.
Reutlingen im Spannungsfeld von Ausbau und Nachfrage
Der Trend ist eindeutig: Der Ausbau von Photovoltaik schreitet schneller voran als der Netzausbau. Damit geraten nicht nur private Betreiber in Schwierigkeiten, sondern auch die gesamte regionale Energieplanung. Strom stammt längst nicht mehr aus wenigen Großkraftwerken, sondern aus zahlreichen dezentralen Quellen. Diese Entwicklung belastet die Infrastruktur massiv.
Konrad Saalmüller von der KlimaschutzAgentur Landkreis Reutlingen betont die wachsende Nachfrage. „Ein insgesamt erhöhter Strombedarf sei da, auch wegen der zunehmenden Zahl an Wärmepumpen und an E-Autos.“ Der steigende Verbrauch trifft auf eine Infrastruktur, die für solche Belastungen nicht ausgelegt ist. Dadurch entstehen Spannungen zwischen Erzeugung, Verbrauch und technischer Machbarkeit.
Unterschiedliche Entwicklung in der Region
Im benachbarten Tübingen zeigt sich ein anderes Bild. Dort profitieren die Stadtwerke von einem dichter ausgebauten Netz. Probleme treten eher in ländlichen Regionen auf, wo Kapazitäten traditionell schwächer ausgebaut sind. Für Reutlingen bedeutet dies, dass der Rückstand im Netzausbau besonders sichtbar wird.
Ohne rasche Modernisierung drohen weitere Einschränkungen. Private Betreiber verlieren dadurch nicht nur Einnahmen, sondern auch Vertrauen in die Energiewende. Für FairNetz bleibt die Herausforderung groß: Nur mit massiven Investitionen lässt sich verhindern, dass in Reutlingen noch mehr Anlagen auf die Einspeisung warten müssen.
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