Immer mehr Haushalte erhalten Geld fürs Stromverbrauchen – ein scheinbares Geschenk. Im Mai zahlte etwa EnviaM bis zu 11,4 Cent je Kilowattstunde an Verbraucher. Grund dafür: ein massiver Überschuss an Solarstrom bei gleichzeitig geringer Nachfrage. Doch dieser Effekt steht exemplarisch für ein tieferliegendes Problem. Der unkontrollierte Solarausbau sorgt für eine gefährliche Kanibalisierung des Energiemarkts und untergräbt die eigene Wirtschaftlichkeit (merkur: 31.05.25).
Überproduktion durch Photovoltaik bringt den Markt aus dem Gleichgewicht
Solarstrom fällt vor allem dann an, wenn kaum Bedarf besteht. Das Ergebnis: Preise stürzen ab, teils bis unter null. Im April war eine Kilowattstunde Solarenergie im Großhandel zeitweise nur drei Cent wert. Mitte Mai lag der Spotmarktpreis sogar bei minus 25 Cent. Laut Epex Spot kam es 2023 an 459 Stunden zu negativen Preisen. Die Ursache liegt auf der Hand: Ein wild wachsender Solarsektor trifft auf fehlende Speicher und ein überlastetes Netz.

Ohne gezielte Steuerung erzeugen Photovoltaikanlagen Energie zur falschen Zeit. Die Folge ist eine Kanibalisierung innerhalb des Solarsektors: Anlagen verdrängen sich gegenseitig vom Markt, während Investitionen zunehmend unattraktiv werden. Die politische Förderung setzt auf Quantität statt auf Systemverträglichkeit – und ignoriert dabei die technischen Voraussetzungen einer funktionierenden Energiewende.
Dynamische Tarife lohnen sich nur für wenige
Einige Haushalte profitieren kurzfristig – etwa durch dynamische Stromtarife. Anbieter wie 1Komma5Grad erklären: „Mit einem intelligenten Energiemanagementsystem lässt sich der Stromverbrauch automatisiert und gezielt auf Zeiten mit negativen oder günstigen Börsenstrompreisen verlagern.“ Für Haushalte mit Elektroauto oder Wärmepumpe mag das funktionieren – die breite Bevölkerung bleibt außen vor.
Zudem fehlt in vielen Regionen die notwendige Infrastruktur. Intelligente Zähler sind selten, automatisierte Verbrauchssteuerung die Ausnahme. Auch Batteriespeicher bleiben eine teure Nische. Dynamische Tarife entlasten das Netz punktuell, lösen aber keine strukturellen Probleme. Vielmehr verschärft sich die Kanibalisierung, weil neue Solaranlagen ohne Rücksicht auf Netzkapazitäten entstehen.
Risiko für Verbraucher steigt, Nutzen bleibt begrenzt
Seit Januar gilt die Verpflichtung zur Einführung dynamischer Tarife. Verbraucherschützer schlagen Alarm. Laut Verbraucherzentrale profitieren nur flexible Großverbraucher. Für normale Haushalte überwiegt das Risiko. Preisspitzen bei Dunkelflauten oder Netzengpässen lassen sich kaum vermeiden. Die Verantwortung wird auf Verbraucher abgewälzt, die kaum steuernd eingreifen können.
Die Politik vernachlässigt dabei zentrale Elemente einer stabilen Stromversorgung: Netzausbau, Speichertechnik und intelligente Lastverteilung. Stattdessen entsteht ein Markt, in dem Angebot und Nachfrage immer weiter auseinanderdriften – angetrieben durch eine zunehmend destruktive Kanibalisierung des Erneuerbaren-Sektors.
Energiewende droht an eigenen Widersprüchen zu scheitern
Die Solarförderung setzt auf Masse, nicht auf Integration. Neue Anlagen entstehen im Rekordtempo, während Stromnetze stagnieren und Speicher fehlen. Der erzeugte Strom kann oft nicht abgenommen werden. Die Konsequenz: ein ruinöser Preisverfall, sinkende Renditen und massive Unsicherheit für Investoren. Wer heute in Photovoltaik investiert, sieht sich nicht nur schwankenden Erlösen, sondern auch politischem Desinteresse gegenüber.
Ohne Kurswechsel bleibt die Kanibalisierung nicht auf Solarstrom beschränkt. Auch Windenergie, Biogas und andere flexible Systeme geraten unter Druck, wenn Solarstrom den Markt überflutet. Der unkontrollierte Ausbau torpediert damit das Ziel einer stabilen, bezahlbaren und nachhaltigen Energieversorgung. Die Energiewende braucht Struktur – kein Solarchaos.
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