Das Verteidigungsministerium teilte im November 2025 mit, dass die Bundeswehr die spezielle SAP-Software S/4Hana derzeit nicht abnehmen kann. Sie gehört zu den größten europäischen SAP-Systemlandschaften und könnte dem Militär deutlich die Logistik erleichtern. Die nun kommunizierte Verzögerung eines IT-Projekts ist schon die zweite nach der auf Eis liegenden Funkdigitalisierung des Heeres. (golem, 28.11.2025)
Verschiebung wegen Softwaremängeln
SAP selbst räumte Softwaremängel beim cloudbasierten SAP S/4Hana ein. Es sollte die bisherige SAP Business Suite ergänzen und in Teilen ablösen, mit der Organisationen – Unternehmen, Behörden, NGOs und eben auch das Militär – ihre Verwaltung, die Materialbeschaffung und die Logistik organisieren können. Eigentlich sollte S/4Hana bei der Bundeswehr am 27. Oktober 2025 live gehen. Nun wird die Einführung auf Anraten von SAP selbst voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2026 stattfinden.

Das Nachrichtenmagazin SPIEGEL konnte eine vertrauliche Vorlage des Bundesverteidigungsministeriums einsehen, die „abnahmeverhindernde Probleme“ schildert. Der SAP-Vorstand hatte demnach schon im August 2025 die mangelnde Softwarequalität für die Zwecke des Militärs eingeräumt. Man empfahl daher von Unternehmensseite der Bundeswehr, den Start von S/4Hana auf das Frühjahr 2026 zu verschieben. Dieses Statement bestätigte nun das Wehrressort gegenüber Journalisten. Die Einsatzbereitschaft beeinträchtige die Verzögerung aber nicht, die Truppe könne mit der Vorgängerversion noch gut operieren.
Supportende für die Vorgängerversion
Für die derzeit von der Bundeswehr genutzten Anwendungen wird SAP den Support je nach Version zwischen 2027 und 2030 einstellen. Für S/4Hana hingegen sichert der Konzern mit Stand Dezember 2025 eine Wartung bis 2040 zu. Das Projekt gilt als zentrales Digitalisierungsvorhaben der Bundeswehr, wie das BWI (IT-Systemhaus der Bundeswehr) schon im Juli 2020 erklärt hatte. S/4Hana wird nach seiner Einführung beim Militär zur SASPF (Standard-Anwendungs-Software-Produktfamilie) der Bundeswehr gehören. Damit betreibt das BWI eine der bedeutendsten und auch größten europäischen SAP-Systemlandschaften in ganz Europa. Integriert ist darin die SAP-ERP-Plattform.
ERP steht für Enterprise Resource Planning, womit alle Vorgänge des Rechnungswesens, der Beschaffung, der Logistik, der Personalwirtschaft und der Instandsetzung des Militärs abgewickelt werden. Bei der Bundeswehr nutzen derzeit mehr als 60.000 Nutzer das SASPF-System. In diesem fehlt allerdings als wesentlicher Baustein ein modernes Modul für die Logistik, das S/4Hana liefern soll. Eine SAP-Sprecherin verwies darauf, dass der Konzern die Lösung in höchster Qualität bereitstellen wolle und genau aus diesem Grund zu einer Verschiebung der Einführung rate. Die nötigen Qualitäts- und Sicherheitsstandards stimme man derzeit eng mit der Bundeswehr ab. Die Lösung solle am Ende sicher sowie leistungs- und zukunftsfähig sein.
Über SAP S/4HANA
Die ERP-Software von SAP folgt dem bisherigen Kernprodukt SAP ECC. Der Begriff S/4Hana codiert „4. Produktgeneration, High Performance Analytic Appliance“. Der Konzern favorisiert dieses Produkt für Cloudeinsätze und erweitert damit die schon länger bestehende ERP-Software-Produktlinie. Der digitale Kern von S/4HANA bringt schon bestimmte zentrale Funktionen mit, weitere können als Line of Business Solutions für einen zusätzlichen Funktionsumfang zugekauft werden. Eine Änderung dürfte wesentlich sein: SAP S/4Hana greift ausschließlich auf die neue SAP-HANA-Datenbank zu, während die bisherigen SAP-R/3-Lösungen auch die Datenbanken von Microsoft, Oracle und IBM nutzen können.
Im Sinne einer rein europäischen Cloudstrategie, die gerade für das Militär enorm wichtig werden könnte, ist S/4Hana allerdings zu präferieren – ganz abgesehen von der verbesserten Technik gegenüber den Vorgängerversionen. Die Software lässt sich auf verschiedene Weise in eine bestehende Systemlandschaft implementieren, was möglicherweise einer der Gründe für die gegenwärtige Verzögerung ist. SAP bietet eine neue Implementierung, die System-Konvertierung und eine selektive Migration an. Möglicherweise kannten die Supporter des Konzerns die vorhandene IT-Landschaft bei der Bundeswehr zu wenig, um den richtigen Ansatz zu finden.
Die neue Implementierung (sogenannter Greenfield-Ansatz) benötigt einen initialen Datenladeprozess, die System-Konvertierung (Brownfield-Ansatz) eignet sich für Anwender mit einer schon vorhandenen SAP Business Suite. Die selektive Migration (Landscape Transformation) lässt sich mit speziellen SAP-Tools realisieren.
Dieses Mal kein Fehler der Bundeswehr
Die Umstellung auf den digitalen Funkverkehr bei der Bundeswehr hat sich als milliardenteurer Flop erwiesen, der zumindest in Teilen dem Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angelastet wird. Die neuen digitalen Funkgeräte waren nicht einmal hardwareseitig mit den Fahrzeugen des Militärs kompatibel. Doch die Verzögerung bei SAP S4/Hana haben weder Offiziere noch Beamte im Ministerium zu verantworten. Vielmehr dürften die Spezialisten von SAP zu wenig zu den Belangen ihres Großkunden – der Bundeswehr – recherchiert haben. Immerhin läuft die Suite S4/Hana bereits, nur an der Integration in die militärische IT hakt es.
