Skandinavische Staaten kürzen Sozialleistungen für Arbeitslose und Migranten radikal

In Skandinavien geraten Sozialleistungen zunehmend unter Druck. Länder, die lange für umfassende Absicherung bekannt waren, setzen nun auf Kürzungen und strengere Regeln. Besonders Arbeitslosigkeit und Migration stehen im Zentrum der politischen Debatte. Schweden und Finnland verschärfen ihre Systeme, während Dänemark mit seinem „Flexicurity“-Modell als Vorbild gilt. Der Trend zeigt klar: Weniger Schutz, mehr Eigenverantwortung, weniger Wohlfahrtsstaat (welt: 24.09.25).


Sozialleistungen im Fokus der Sozialreform

In Stockholm stellte Sozialministerin Anna Tenje kürzlich die Pläne für eine umfassende Sozialreform vor. Sozialleistungen für Arbeitslose sollen gekürzt und gleichzeitig Steuern für Erwerbstätige gesenkt werden. „Dies ist ein Haushalt für arbeitende Menschen, in dem wir Steuern für Beschäftigte senken und Anreize verstärken“, betonte Tenje. Ziel ist es, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen.

Die Sozialleistungen in Nordeuropa stehen vor einem massiven Umbruch - Sozialreform sieht Migration als Schwerpunkt für radikale Kürzungen
Die Sozialleistungen in Nordeuropa stehen vor einem massiven Umbruch – Sozialreform sieht Migration als Schwerpunkt für radikale Kürzungen
Bild: Schwedens Sozialministerin Anna Tenje

Das Land kämpft trotz Wohlstand mit hoher Arbeitslosigkeit. Mit 8,8 Prozent zählt Schweden zu den Ländern mit den höchsten Quoten in Europa. Nur Finnland und Spanien liegen darüber. Der Druck auf den Wohlfahrtsstaat steigt damit deutlich.

Harte Einschnitte für Familien

Die geplanten Maßnahmen treffen besonders große Familien. Ab dem vierten Kind sollen Sozialleistungen um 75 Prozent sinken, für Alleinerziehende um 40 Prozent. Familien mit fünf Kindern und zwei arbeitslosen Elternteilen könnten monatlich bis zu 742 Euro verlieren. Gleichzeitig dürfen Kommunen keine zusätzlichen Hilfen bereitstellen. Tenje betonte: „Es geht nicht, dass Familien jahrelang von Sozialleistungen leben.“

Kritiker werfen der Regierung vor, mit der Reform vor allem auf Migration abzuzielen. Die Zeitung Folkbladet sprach von einem „klaren Signal an die eigene Wählerschaft“. Tatsächlich profitieren laut einer Untersuchung vor allem kleine Haushalte oder Alleinstehende von staatlichen Geldern.

Migration als politischer Schwerpunkt

Die Sozialreform sieht vor, dass Migranten künftig erst nach fünf Jahren Aufenthalt Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld, Bürgergeld oder Elterngeld erhalten. Linda Lindberg von den Schwedendemokraten verteidigte diese Linie: „Es ist unverständlich, warum Menschen, die gerade erst nach Schweden ziehen, sofort Zugang zu unserem Wohlfahrtssystem haben sollten.“

Ab 2027 sollen diese Regeln greifen. Damit rückt Migration stärker ins Zentrum der politischen Agenda. Der Wohlfahrtsstaat soll nicht länger ohne Bedingungen für alle offenstehen.


Finnland folgt ähnlichem Kurs

Auch in Finnland führt die konservativ-rechtsnationale Regierung deutliche Kürzungen durch. Finanzministerin Riikka Purra treibt die Sozialreform voran. Arbeitslose, Studenten und Empfänger von Grundsicherung erhalten weniger Geld. Zudem müssen Migranten ihre Integration nachweisen, um staatliche Unterstützung zu bekommen. Selbst Arztbesuche belasten viele Haushalte inzwischen stärker.

Professorin Minna van Gerven von der Universität Helsinki spricht von einem ideologischen Wandel. Arbeitslosigkeit, Schulden und demografischer Druck erzwingen harte Entscheidungen. Das Ziel lautet: Menschen schneller in Arbeit und raus aus Sozialleistungen.

Dänemark als Vorbild für Reformen

Dänemarks „Flexicurity“-Modell gilt in der Region als wegweisend. Der Wohlfahrtsstaat bleibt großzügig, doch Arbeitslosigkeit löst dort stärkeren Druck aus. Wer sich nicht aktiv um eine neue Stelle bemüht, verliert zügig Ansprüche. Gleichzeitig bieten Weiterbildung und Qualifizierung Chancen auf schnelle Rückkehr in den Arbeitsmarkt.

Dieses Modell dient Schweden und Finnland als Orientierung. Die Balance zwischen Härte und Förderung gilt als Schlüssel für einen modernen Wohlfahrtsstaat.

Auswirkungen auf Deutschland

Auch Deutschland blickt aufmerksam nach Nordeuropa. Kanzler Friedrich Merz kündigte an, das Bürgergeld abzuschaffen und eigene Sozialreformen durchzusetzen. „Wer arbeiten kann, muss auch arbeiten“, heißt es im Unionsprogramm. Der Druck auf Sozialleistungen dürfte damit auch hierzulande zunehmen.

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