Sicherheitslücke bei Balkonkraftwerken: Betrug mit Wechselrichtern bedroht hunderttausende Nutzer

Viele Balkonkraftwerke weisen massive Sicherheitslücke auf. Bei den betroffenen Anlagen fehlt im Wechselrichter eines chinesischen Herstellers ein wichtiges vorgeschriebene Sicherheitsrelais (capital: 19.07.23). Kunden, die betroffen sind, sollen ihre Anlagen vom Stromnetz abkoppeln.

Balkonkraftwerke im Visier: Hunderttausende Geräte erfüllen Sicherheitsstandards nicht

Jeder will heutzutage seinen eigenen Strom herstellen. Besonders Leute in der Stadt ohne eigenes Haus nutzen dafür kleine Balkonkraftwerke. Diese Anlagen haben normalerweise nur ein oder zwei Sonnenenergie-Module mit 300 oder 400 Watt und einen Wechselrichter. Dieser Wechselrichter wandelt den erzeugten Gleichstrom in den normalen Wechselstrom um. Außerdem überwacht er, dass nicht mehr Strom ins Netz geht, als der Netzbetreiber zulässt. Den Wechselrichter muss man nur in die Steckdose stecken und das eigene „Kraftwerk“ ist einsatzbereit. Mittlerweile kann man entsprechenden Anlagen sogar bei Discountern wie Lidl oder Aldi kaufen.


Der Balkonkraftwerksanbieter Laudeley Betriebstechnik aus Ritterhude hat jetzt entdeckt, dass scheinbar viele Hunderttausende Wechselrichter technisch nicht der Vorschriften entsprechen. Sie erfüllen in puncto Sicherheit nicht das, was ihr TÜV-Zertifikat verspricht.

Holger Laudeley, der sich in seinen Youtube-Videos als „Erfinder und Namensgeber der Balkonkraftwerke“ bezeichnet, meint, es betrifft hauptsächlich Modelle von Ningbo Deye Technology, einem chinesischen Anbieter. Dieser Anbieter hat ein wichtiges Sicherheitsrelais einfach nicht eingebaut und bestreitet das auch nicht.

Balkonkraftwerke im Visier: Viele Geräte erfüllen Sicherheitsstandards nicht. Hunderttausende Anlagen müssen abgeschaltet werden

Sicherheitsmängel bei Wechselrichtern: Massive Vorwürfe gegen Hersteller

„Der Wechselrichter ist so nicht mehr sicher“, äußert Laudeley und beschuldigt Deye des massiven Betrugs. Sein Unternehmen überlegt, eine Strafanzeige zu erstatten.

Der Ingenieur bemerkte das fehlende Stück auf der Platine, als die Bundesnetzagentur einen Deye SUN300 Wechselrichter anforderte. Sie wollten seine elektromagnetische Empfindlichkeit testen, weil sie Zweifel hatten. Als Laudeley das Gerät selbst prüfte, bemerkte er, dass ein Slot leer war. Dort hätte ein Trennrelais sein sollen.

Dieses Relais hätte die Aufgabe, den Wechselrichter sicher abzuschalten, wenn seltene Komplikationen auftreten. Dieser Sicherheitsschalter ist laut VDE-Norm AR-N 4105 für alle Wechselrichter absolute Pflicht. Im Original Deye-Modell, das vom TÜV zertifiziert war, gab es das Teil.

Großer Sicherheitsskandal droht – Ist Ihr Gerät auch betroffen?

Laudeley forderte Deye auf, ihm ein komplettes Teil zu liefern. Sie taten das auch. Es sah so aus, als ob ein schwarzes Relais eingebaut war, aber es stellte sich im Test als Fälschung heraus. Warum Deye das macht, kann man nur vermuten. Experten denken, dass eigentlich billige Relais könnte zu anfällig für Störungen sein und die Garantiezeit nicht überleben. Deshalb hat der Hersteller es wohl weggelassen.

Nach Laudeleys Angaben könnte das Problem auch bei anderen Wechselrichtern von Deye auftreten, sowie bei Geräten von anderen Herstellern, die er nicht namentlich erwähnt. Nach aktuellen Erkenntnissen könnten rund 1,5 Millionen Geräte auf dem deutschen Markt betroffen sein. Etwa 400.000 davon kommen von Deye. Laudeley ist empört und nennt das einen „Skandal“.

Das ist eine schlechte Nachricht, gerade jetzt. Es gibt eine politische Diskussion über ein Gesetz, das den schnelleren Ausbau von Balkon-Stromanlagen fördern soll. Die erlaubte Leistung soll erhöht werden. Aber genau jetzt liefern die Hersteller Wechselrichter, die nicht den deutschen Sicherheitsstandards entsprechen. Die Bundesnetzagentur bestätigt, dass in den geprüften Geräten das Relais fehlt. Deye hat schon Vorschläge gemacht, um das Problem zu lösen. Sie schlagen ein Vorschaltrelais vor, ein zusätzliches Bauteil, das die Nutzer selbst anbringen können. Deye plant, dafür schnell eine neue Zertifizierung zu bekommen, aber die Behörde in Bonn prüft den Vorschlag erstmal genau. Es ist nicht sicher, ob sie zustimmen werden. Sie raten den Verbrauchern, sich mit den Verkäufern oder dem Stromnetzbetreiber in Verbindung zu setzen.


Hunderttausende Anlagen müssen möglicherweise abgeschaltet werden

Besteht die Gefahr, dass Hunderttausende Menschen ihr Balkonkraftwerk bald nicht mehr benutzen können? Es sieht so aus. Die Bundesnetzagentur teilt mit: „Wenn Verbraucher Geräte ohne gültiges Zertifikat für die Einhaltung der VDE-AR-N 4105 nutzen, dürfen diese Geräte nicht am Stromnetz betrieben werden.“ Am 14. Juli hat die Behörde in Bonn Deye aufgefordert, „die Kunden der betroffenen Geräte sofort über die Situation und die vorübergehende Trennung vom Netz für bereits installierte Geräte zu informieren.“

Auch der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE), der die Standards festlegt, hat bereits erklärt, dass eine einfache Lösung mit einem externen Relais nicht möglich ist. Wenn die Bundesnetzagentur nach den Untersuchungen bestätigt, dass das Problem besteht, müssen alle betroffenen Balkonkraftwerke sofort stillgelegt werden.

Das ist eine schlechte Nachricht. Aber laut Laudeley müssen wir uns keine Sorgen machen, dass etwas Schlimmes passiert, weil das Relais fehlt. „Wechselrichter, die laufen, laufen.“ Aber in Zukunft muss unbedingt für Sicherheit gesorgt sein.

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