Da die Kohleverstromung in Deutschland wieder zunimmt, hat dies auch negative Auswirkungen auf den Strom in der Schweiz. Daher ist es für die Schweiz ratsam, ihre Abhängigkeit von ausländischem Strom so weit wie möglich zu begrenzen (NZZ: 13.04.23).
Blick hinter die Kulissen: Schweizer Strombilanz trügerisch – CO₂-Anstieg und falsche Eindrücke
Das Schweizer Bundesamt für Energie erhebt jedes Jahr Daten zur Umweltfreundlichkeit des inländischen Stroms. Die Ergebnisse sind regelmäßig erfreulich, denn etwa 80 Prozent des gelieferten Stroms stammen aus erneuerbaren Energien, wie das Amt im letzten Herbst bekannt gab. Weitere 19 Prozent stammen aus der Kernkraft, während fossile Energieträger lediglich für weniger als 2 Prozent des verbrauchten Stroms verantwortlich sind. Die offiziellen Zahlen des Bundes suggerieren, dass die Energiewende in der Schweiz auf einem guten Weg ist.
Die offiziellen Zahlen des Schweizer Bundesamts basieren auf Herkunftsnachweisen und spiegeln die Realität nur unzureichend wider. Tatsächlich zeigt ein Blick auf die physischen Stromflüsse, dass der von der Schweiz konsumierte Strom deutlich umweltschädlicher ist als angegeben. Im Durchschnitt stammen fast 10 Prozent des Stroms aus fossilen Energiequellen. Noch besorgniserregender ist, dass trotz der viel gepriesenen Vorteile der Energiewende der Strom nicht grüner, sondern dreckiger geworden ist. Innerhalb von zwei Jahren ist der CO₂-Gehalt des verbrauchten Stroms um mehr als 50 Prozent angestiegen.
Schweizer Stromimporte und der steigende CO₂-Gehalt
Zweifellos liegen die Ursachen für diese bedauerliche Entwicklung nicht in der Schweiz, da die heimische Stromproduktion zu den klimafreundlichsten in Europa zählt. Allerdings ist die Schweiz nicht isoliert, sondern im Winter auf Stromimporte angewiesen, die vermehrt aus fossilen Energiequellen stammen. Ein Beispiel dafür ist Deutschland, wo der schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie sowie der Wegfall von Gaskapazitäten infolge des Ukraine-Konflikts nur teilweise durch erneuerbare Energien wie Sonne und Wind kompensiert wird. Die Folge davon ist, dass die klimaschädliche Kohleverstromung ein bedauerliches Revival erlebt.
Der gestiegene CO₂-Gehalt beim verbrauchten Strom liefert der schweizerischen Politik ein weiteres Argument, die Auslandsabhängigkeit so weit wie möglich zu begrenzen. Das bedeutet, dass die Schweiz zusätzliche Kraftwerke im Inland als Ersatz für die wegfallende Kernenergie und es ein Fehler wäre, die drohende Lücke mit noch mehr Importen zu füllen. Ein entschlossener Ausbau der erneuerbaren Energien, einschließlich Wasserkraft, Windkraft und Fotovoltaik, ist dabei das beste Rezept, um den CO₂-Fußabdruck des Stroms zu reduzieren. Zudem sollte die Schweiz das Verbot der Kernenergie aus dem Gesetz streichen.
Transparenz beim Stromverbrauch: Reform der Stromkennzeichnung für mehr Umweltbewusstsein
Es ist dringend erforderlich, mehr Transparenz beim Stromverbrauch zu schaffen. Menschen, die beispielsweise ihr Elektrofahrzeug über Nacht aufladen, möchten wissen, wie sauber der Strom ist, der aus ihrer Steckdose kommt. Oder ob es aus klimatischer Sicht sinnvoller wäre, ihr Fahrzeug tagsüber aufzuladen. Das aktuelle System verschleiert jedoch eher die tatsächlichen Stromflüsse, anstatt Klarheit zu schaffen. Es ermöglicht den Energieversorgern, dem verkauften Strom ein grünes Etikett anzuhängen, indem sie sich günstig mit Herkunftsnachweisen aus dem Ausland eindecken. Dadurch wird nicht nur der tatsächliche CO₂-Fußabdruck des Stromverbrauchs unterschätzt, sondern es wird auch die Illusion genährt, dass die Stromversorgung bereits heute grün sei.
Der Schweizer Bundesrat und das Parlament haben bereits erste Schritte für eine Reform der Stromkennzeichnung eingeleitet. Es ist geplant, die Gültigkeitsdauer der Herkunftsnachweise zu verkürzen. Das bedeutet, dass ein im Sommer ausgestellter Nachweis für Solarenergie nicht mehr zur Kennzeichnung des im Winter verbrauchten dreckigen Stroms verwendet werden kann. Dies ist der einzige richtige Weg. Nur wenn Stromkunden wissen, wie sauber ihr Strom ist, kann dies zu einer umweltfreundlicheren Versorgung führen.