Die EU hat 2024 so viel russisches Flüssiggas (LNG) importiert wie nie zuvor. Während andere Energieimporte aus Russland sanktioniert sind, bleibt LNG von Beschränkungen ausgenommen. Diese Entwicklung zeigt, dass Europa trotz Bemühungen, sich von russischer Energie zu lösen, weiter auf russisches Gas angewiesen ist. Moskau sieht darin eine Chance und verfolgt ehrgeizige Pläne seine LNG-Exporte auf das dreifache auszubauen (berliner-zeitung: 09.01.25).
LNG-Importe der EU erreichen Rekordniveau
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat die EU zahlreiche Sanktionen gegen Russland verhängt, um dessen Wirtschaft zu schwächen. Ölimporte wurden gestoppt, und bis 2027 soll auf fossile Brennstoffe aus Russland vollständig verzichtet werden. Flüssiggas bildet jedoch eine Ausnahme: 2024 importierte die EU über 16,5 Millionen Tonnen russisches LNG. Das sind mehr als im Vorjahr und stellt einen neuen Höchststand dar.
Laut russischen Angaben stiegen die Gasexporte in europäische Länder im vergangenen Jahr um 18 bis 20 Prozent. Diese Zunahme erfolgt trotz des Stopps des Ukraine-Transits, der jahrzehntelang eine Schlüsselroute für russisches Gas darstellte. Die Entscheidung, LNG-Importe nicht zu sanktionieren, hat Russland klare wirtschaftliche Vorteile verschafft.
Putin plant Verdreifachung der Exporte
Präsident Wladimir Putin sieht im LNG-Markt großes Potenzial. Auf einer Pressekonferenz im Dezember erklärte er: „Wir bauen unseren Anteil auf den weltweiten LNG-Märkten weiter aus.“ Bis 2035 sollen sich die Exporte verdreifachen. Ob dieses Ziel realistisch ist, bleibt umstritten, doch die bisherigen Zahlen sprechen für eine starke Nachfrage.
Die Prognosen zeigen, dass Europa weiterhin auf Gas angewiesen sein könnte. Laut Tatiana Orlova, Ökonomin bei Oxford Economics, haben alle bisherigen Versuche, russisches Gas vollständig zu ersetzen, nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Um den Rückgang der Erdgasimporte auszugleichen, könnte die EU künftig sogar noch mehr LNG aus Russland beziehen.
USA setzen auf Sanktionen, China als Partner Russlands
Im Gegensatz zur EU verfolgen die USA eine härtere Linie. Mehrere russische LNG-Projekte, darunter das Terminal Arctic LNG 2, stehen unter Sanktionen. Diese Maßnahmen führten zeitweise zu Produktionsunterbrechungen. Russland hat jedoch Wege gefunden, die Einschränkungen zu umgehen, etwa durch den Einsatz einer sogenannten LNG-Schattenflotte.
Parallel dazu baut Russland seine Energiepartnerschaften mit China aus. Über die Pipeline „Kraft Sibiriens“ erreichten die Gaslieferungen 2024 ein Rekordniveau von 31 Milliarden Kubikmetern. Bis 2025 soll diese Menge auf 38 Milliarden Kubikmeter steigen, was einen Teil der Verluste durch den Ukraine-Transit ausgleichen könnte. Auch über die Turkstream-Pipeline plant Russland eine Ausweitung der Exporte.
Auswirkungen auf den globalen Energiemarkt
Die Zukunft des LNG-Marktes bleibt unsicher. Claudio Steuer, Energieberater, betont: „Die Erdgas- und LNG-Landschaft für Russland hat sich in den letzten drei Jahren dramatisch verändert.“ Wie sich die internationale Sanktionspolitik weiterentwickelt, hängt auch von der Haltung der USA ab. Besonders spannend wird, wie der neue US-Präsident Donald Trump in den kommenden Jahren agieren wird.
Die EU steht vor einem Dilemma: Einerseits möchte sie die Abhängigkeit von russischer Energie beenden. Andererseits bleibt Flüssiggas aus Russland ein wichtiger Bestandteil der Versorgung. Ob es gelingt, alternative Bezugsquellen zu erschließen, wird entscheidend für die zukünftige Energiepolitik Europas sein.
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