Riskant für die deutsche Energiewende – sogenannte „Phantomspeicher“

Batteriespeicheranlagen gelten für die deutsche Energiewende als unverzichtbarer Baustein. Sie werden massiv bei den Netzbetreibern angemeldet, doch überwiegend nicht gebaut. Die Gründe sind vielfältig, die Folgen prekär. (focus, 02.12.2025)


Beispiel Solarpark in Zerbst

Im sachsen-anhaltinischen Zerbst wurde im November 2025 ein gewaltiger Solarpark auf einer Fläche von 41 Hektar eröffnet. Dazu gehört ein Batteriespeicher. Der norwegische Betreiber Statkraft beziffert die Kapazität der 88 Batteriespeicher auf Lithium-Ionen-Basis mit einer Größenordnung, die für die Stromversorgung von 14.000 Haushalten reicht. Dieses funktionierende Projekt gehört zum sogenannten „Batteriespeicher-Tsunami“, den Fachleute derzeit in Deutschland beobachten.

Batteriespeicher-Boom überlastet Netzbetreiber: Viele Projekte sind nur Papier, echte Vorhaben werden verzögert – Reformen dringend nötig.
Batteriespeicher-Boom überlastet Netzbetreiber: Viele Projekte sind nur Papier, echte Vorhaben werden verzögert – Reformen dringend nötig.

Die Speicher gehören zu Solarparks und Windkraftanlagen, es gibt sie aber auch als Soloprojekte. Günstig wurden sie durch den Preisverfall für die Batterien. Es lässt sich mit ihnen inzwischen gutes Geld verdienen, wenn der tagsüber generierte Solarstrom abends bei hohen Großhandelspreisen ins Netz eingespeist wird. Windparks produzieren manchmal tagsüber, manchmal auch in stürmischen Nächten viel Strom, den ihre Speicher in windarmen Stunden wieder abgeben. So soll die Energiewende auch aussehen. Da Solar- und Windstrom ungleichmäßig zur Verfügung stehen, benötigt das Netz die Speicher.

Große Diskrepanz zwischen vorhandenen und angemeldeten Speichern

Die Bundesnetzagentur bezifferte Ende 2024 die deutsche Speicherkapazität mit 3,2 Gigawattstunden bei 2,3 Gigawatt Leistung, die von 921 größeren und zahllosen kleineren Batteriespeichern kam. Es gab aber zu jenem Zeitpunkt schon Anmeldungen für 10.000 Projekte. Deren Leistung soll bei 400 Gigawatt, die Speicherkapazität bei 661 Gigawattstunden liegen.

Der Amprion-Chef Christoph Müller postete im November 2025, dass es wahrscheinlich inzwischen noch weitaus mehr Anmeldungen für viel mehr Kapazität gibt. Möglicherweise liegt sie beim Doppelten des vorjährigen Standes. Amprion ist ein Netzbetreiber, der zu den Leidtragenden des Batterie-Tsunamis gehört. Die Netzbetreiber sind zur Bearbeitung der Anträge und zum Anschluss tatsächlich realisierter Projekte gesetzlich verpflichtet. Die Anträge müssen sie nach Eingangsdatum überprüfen. Das ist aufwendig und lohnt sich allein deshalb oft nicht, weil Investoren die Speicherprojekte einfach nur deshalb anmelden, um sich die Genehmigung bei einer möglichen Realisierung zu sichern.

Ob es dazu kommt, wissen sie oft selbst nicht, weil es sich um Projekte in ferner Zukunft handelt. Projektanten haben nach der Genehmigung viel Zeit, sich um die Finanzierung zu kümmern, denn die Flut der Anmeldungen trifft inzwischen auf einen Flaschenhals der Bearbeitungskapazitäten. Daher dürften Projekte, die im Jahr 2025 beantragt wurden, frühestens ab 2030 eine Genehmigung erhalten. Das führt zu „Phantomspeichern“ oder „Zombie-Projekten“, wie die Branche sie nennt: Sie werden nur beantragt, um sich die Möglichkeit der Realisierung offenzuhalten.


Bei manchen Vorhaben ist die Finanzierung bislang vollkommen ungeklärt, für manche gibt es noch keinen festen Ort. Das führt zu Anträgen für mehrere Orte gleichzeitig. Einige Akteure handeln sogar mit den Anschlussgenehmigungen, wollen selbst aber niemals einen Speicher errichten.

Wie lässt sich das Dilemma auflösen?

Fachleute schlagen Alarm und fordern gesetzliche Änderungen. Für die Antragssteller besteht mit Stand Ende 2025 keine Pflicht, ein angemeldetes Projekt tatsächlich zu realisieren, während die Netzbetreiber zur Prüfung verpflichtet sind (siehe oben). Angemeldete „Phantomspeicher“ verzögern daher die Genehmigungen für ernsthafte Projekte, was für die Energiewende inzwischen zum ernsthaften Problem wird. Amprion-Chef Müller nennt dazu die Größenordnung von ~1 : 3 zwischen realistischen und fiktiv vorgenommenen Genehmigungsanträgen.

Die Netzbetreiber fordern daher von der Politik ein Ende des „Windhund“-Prinzips (schnellster Anmelder [Windhund] erhält zuerst die Genehmigung) und möglicherweise eine kräftige Genehmigungsgebühr, welche Glücksritter abschreckt. Dieser Forderung hat sich die zuständige Bundesnetzagentur bislang verschlossen, weil sie sich nicht zutraut, sinnvolle von spekulativen Projekten zu unterscheiden. Die Branche fordert dennoch eine transparente und für alle Antragsteller einheitliche, mithin auch rechtssichere Lösung. Ein offenes Ohr findet sie bei der Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU), die im Einklang mit Vorschlägen aus dem Bundesrat daran arbeitet, die Batteriespeicher kurzfristig (noch in 2025) aus der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNav) herauszunehmen. Ab 2026 will das Wirtschafts- und Energieministerium unter Reiche an einer neuen Regelung arbeiten, die Genehmigungen vorrangig nach den Aspekten Qualität und Systemdienlichkeit vergibt.

Die überlasteten Netzbetreiber reagieren derweil mit eigenen Strategien auf die Antragsflut. Amprion hat auf eigene Faust eine Bearbeitungsgebühr festgesetzt: Sie beträgt stolze 50.000 Euro. Christoph Müller berichtet nun, dass seriöse Projektbetreiber diese Summe tatsächlich zahlen, die für sie „kein ernsthafter Betrag“ ist. Allerdings nehmen auch 65 Prozent aller Antragsteller Abstand. Hierbei hat es sich offensichtlich um die oben beschriebenen Spekulanten gehandelt. Dieses Beispiel könnte Schule machen.

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