Reaktortechnik zwischen Fortschritt und Populismus – Söders Atomkurs auf dem Prüfstand

Markus Söder fordert eine Rückkehr zur Atomkraft und präsentiert sich dabei als Fürsprecher moderner Reaktortechnik. Zur Begründung verweist er auf einen angeblich bestehenden Small Modular Reactors in Kanada und nutzt diese als Argument für neue Atomkraft in Deutschland. Diese Darstellung hält aber einer Faktenprüfung nicht stand. In Kanada existiert kein einziger marktreifer Reaktor dieser Bauart. Stattdessen verweist Söder auf einen alten Forschungsreaktor aus dem Jahr 1959. Genau diese Ungenauigkeit zeigt, wie der bayerische Ministerpräsident mit einem komplexen Thema umgeht. Er versucht mit modernen Schlagworten ins Rampenlicht zu kommen, ist aber ganz offensichtlich nicht entsprechend informiert (zeit: 06.12.25).


Reaktortechnik verlangt Sachkenntnis statt Schlagworte

Moderne Kerntechnik entwickelt sich weiter. Besonders China belegt das mit konkreten Projekten. Dort arbeitet seit 2024 der TMSR-LF1, ein experimenteller Thoriumreaktor in der Wüste Gobi, unter Volllast. Dieser Flüssigsalzreaktor nutzt geschmolzene Salze, gilt als sicherer und erzeugt weniger langlebige Abfälle. China koppelt diese Reaktortechnik mit umfangreichen eigenen Rohstoffreserven und verfolgt damit langfristige energiepolitische Ziele. Diese Entwicklung steht für ernsthafte Forschung, nicht für politische Effekte.

Sachliche Einordnung moderner Reaktortechnik - warum Söders Aussagen zur Atomkraft mehr schaden als helfen
Sachliche Einordnung moderner Reaktortechnik – warum Söders Aussagen zur Atomkraft mehr schaden als helfen

Söder erwähnt solche Fortschritte nicht. Stattdessen greift er zu vereinfachten Bildern. Atomkraft erscheint bei ihm als kurzfristig verfügbare Lösung. Diese Verkürzung schadet der Debatte über neue Reaktortechnik, weil sie Illusionen erzeugt.

Kanada als falsches Symbol

Der von Markus Söder genannte kanadische Reaktor ist ein universitäres Forschungsprojekt. Er speist keinen Strom ein. Er dient Medizin und Wissenschaft. Mit moderner Kernenergie hat diese Anlage nichts gemein. Dennoch nutzt Söder sie als Beleg für funktionierende Small Modular Reactors. Diese Mini-Reaktoren, an deren Entwicklung mehrere Firmen weltweit arbeiten, existieren allerdings weitgehend nur als Konzepte auf dem Papier oder als Entwicklungsprototypen.

Ein Ministerpräsident müsste diesen Unterschied kennen. Söders Aussagen lassen jedoch fehlende Recherche erkennen. Reaktortechnik erscheint bei ihm als politisches Modewort, nicht als präzise definierter Begriff.

Fortschritt ja, Vereinfachung nein

Der Blick nach China zeigt, wie differenziert neue Atomkraft diskutiert werden muss. Der dortige Thoriumreaktor liefert Daten und Erfahrung, aber keine industrielle Massenversorgung. Forschung steht am Anfang. Auch Small Modular Reactors befinden sich noch in der Entwicklungsphase. Das gilt für Europa ebenso wie für die USA.

Söder blendet diese Realität aus. Er spricht über Kernenergie, als stünde der nächste Kraftwerksbau unmittelbar bevor. Diese Darstellung überschätzt den Stand der Technik und unterschätzt die Bedeutung seriöser Einordnung.


Populismus als Risiko

Söders Vorgehen folgt einem bekannten Muster. Komplexe Themen erscheinen stark vereinfacht. Begriffe wie Reaktortechnik oder Atomkraft dienen als Projektionsfläche. Fachliche Tiefe fehlt. Vorbereitung ebenfalls. Dieses Verhalten wirkt opportunistisch und populistisch.

Gerade weil neue Reaktortechnik Potential besitzt, braucht sie sachliche Kommunikation. Wer Modernisierung fordert, muss zwischen Forschung, Prototyp und marktfähiger Lösung unterscheiden. Der bayerische Ministerpräsident tut das nicht.

Reale Chancen brauchen Glaubwürdigkeit

Neue Kerntechnik bietet Optionen. Thoriumreaktoren und Flüssigsalzkonzepte eröffnen Perspektiven. Small Modular Reactors bleiben ein Zukunftsthema. Diese Entwicklungen verdienen eine konstruktive Debatte. Populistische Verkürzungen schaden dieser Diskussion.

Wenn Markus Söder weiterhin mit unzutreffenden Beispielen argumentiert, beschädigt er nicht nur seine eigene Glaubwürdigkeit. Er schwächt auch das Vertrauen in eine Technologie, die nur mit Fachkenntnis und Ehrlichkeit bewertet werden kann.

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