Das einst gefeierte Prestigeprojekt Northvolt steht vor dem endgültigen Aus. Trotz Milliardenhilfen aus Deutschland und Schweden endet die Produktion im schwedischen Hauptwerk Skellefteå am 30. Juni 2025. Insolvenzverwalter Mikael Kubu hält eine Fortführung der Zellfertigung am Standort Ett für ausgeschlossen. Der Konzern, einst als Vorreiter der europäischen Elektromobilität gefeiert, existiert nur noch auf dem Papier (spiegel: 23.05.25).
Einstiges Prestigeprojekt bricht zusammen
Am Ende stützte sich der Betrieb auf nur einen Kunden: den Lkw-Hersteller Scania, ein Tochterunternehmen des VW-Konzerns. Eine Handvoll Mitarbeiter hielt die Produktion aufrecht, doch auch dieser Notbetrieb wurde nun beendet. Scania äußerte gegenüber dem schwedischen Sender SVT: „Die Zusammenarbeit mit Northvolt ist für uns wirtschaftlich nicht mehr tragbar.“ Der Konzern plant offenbar den Wechsel zum chinesischen Zulieferer CATL.

Etwa 900 Beschäftigte verlieren damit ihre Jobs. Einzelne Firmenteile, wie das Entwicklungszentrum in Stockholm oder das Werk in Danzig, könnten an Scania übergehen. Für andere Bereiche des einstigen Prestigeprojekts laufen Verkaufsverhandlungen.
Milliardengrab in Schleswig-Holstein
Noch düsterer sieht es in Deutschland aus. Die Northvolt Germany TopCo GmbH, die Dachgesellschaft der deutschen Ableger, hat ein Restrukturierungsverfahren eingeleitet. Besonders betroffen: das unfertige Werk bei Heide in Schleswig-Holstein. Über eine Wandelanleihe flossen rund 600 Millionen Euro an Steuergeldern in das Prestigeprojekt. Insgesamt stehen über eine Milliarde Euro aus öffentlichen Mitteln auf dem Spiel.
Die deutschen Northvolt-Firmen waren eng mit dem Mutterkonzern verbunden. Sie beschafften unter anderem Rohstoffe und zählen nun zu den Gläubigern. Die Insolvenz trifft daher nicht nur regionale Projekte, sondern gefährdet auch die gesamte staatliche Förderstrategie.
Streit um geheime Gutachten
Im schleswig-holsteinischen Landtag tobt ein Streit über die Aufarbeitung der Northvolt-Pleite. Im Fokus steht ein Gutachten der Beratungsgesellschaft PwC, das im Auftrag des Bundes entstand. Es gilt als Grundlage für die Förderzusagen, bleibt jedoch unter Verschluss – eingestuft als „VS Vertraulich“ von Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Wirtschaftsstaatssekretärin Julia Carstens betont, dass die Anträge auf Veröffentlichung schrittweise geprüft würden. Doch viele Abgeordnete drängen auf vollständige Transparenz. Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche soll zur Offenlegung gedrängt werden.
Untersuchungsausschuss droht
FDP-Politiker Bernd Buchholz, ehemaliger Landeswirtschaftsminister, zeigt sich zunehmend ungeduldig: „Ich bin an einer nicht öffentlichen Erörterung des Sachverhalts nicht mehr interessiert.“ Falls die Verzögerung anhält, hält er einen Untersuchungsausschuss für unausweichlich: „Dann ist die Befragung einfacher.“
Northvolt galt lange als Symbolprojekt für eine klimafreundliche Industriepolitik. Bund, Länder und EU unterstützten das Prestigeprojekt mit Milliarden. Doch die Insolvenz in Schweden und das gescheiterte Sanierungsverfahren nach US-Recht zeigen: Der Traum von europäischen Batteriezellen zerplatzt in der Realität.
Neue Schulden für alte Fehler
Um die fällige Anleihe in Höhe von 300 Millionen Euro bedienen zu können, musste Schleswig-Holstein neue Kredite aufnehmen. Laut SPIEGEL-Recherchen lagen frühzeitig Hinweise auf finanzielle Probleme bei Northvolt vor. Dennoch wurde das Prestigeprojekt weiter gefördert – offenbar ohne ausreichende Kontrolle.
Northvolt ist damit nicht nur ein wirtschaftliches Desaster, sondern auch ein politisches. Die Lehre aus dem Fall: Prestige allein ersetzt keine tragfähige Geschäftsstrategie. Der Schaden für Steuerzahler und Vertrauen in staatliche Förderpolitik ist enorm.
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