Hermes steckt tief in der Krise. Der Paketdienst, einst gestärkt durch den Boom während der Pandemie, verzeichnet nun einen historischen Absturz. Die Otto Group meldete für Hermes im letzten Geschäftsjahr einen Verlust von 231 Millionen Euro bei 1,6 Milliarden Euro Umsatz. Im Vorjahr lag der Fehlbetrag noch bei 63 Millionen Euro. Der Wert im Konzernabschluss wurde inzwischen auf null gesetzt (businessinsider: 04.09.25).
Restrukturierung trifft Hermes-Belegschaft
Besonders hart spürt Hermes den Druck bei seinen Mitarbeitern. Der Paketdienst streicht mehr als 700 Stellen und verlagert Tätigkeiten an Subunternehmen. Ende 2024 beschäftigte der Paketzusteller rund 5500 eigene Angestellte, während etwa 10.000 Zusteller über Fremdfirmen tätig waren. Zukünftig soll die Zustellung komplett von externen Fahrern übernommen werden. Die Gewerkschaft Verdi bezeichnete den Sozialplan als Kompromiss, bezweifelt jedoch die Motivation der Beschäftigten.

Der Abbau hat Folgen: Fahrer müssen deutlich mehr Pakete in kürzerer Zeit ausliefern. In Berlin sind 200 Sendungen am Tag keine Ausnahme mehr. Damit wächst der Druck im Arbeitsalltag, während die Aussichten düster bleiben.
Schrumpfende Paketmengen und harter Wettbewerb
Die rückläufigen Paketmengen gefährden das Geschäftsmodell des Paketdienstes massiv. Branchenexperte Rico Back erläuterte: „Zehn Prozent weniger Pakete bedeuten einen Rückgang im Vorsteuergewinn um 50 Prozent.“ Hermes trifft diese Faustregel besonders hart.
Gleichzeitig lasten steigende Energiekosten und aggressive Konkurrenz auf der Bilanz. Unter den fünf großen Wettbewerbern – Deutsche Post/DHL, DPD, GLS, UPS und Hermes – lässt sich kaum eine Preiserhöhung durchsetzen. Die Otto Group sieht in ihrem Geschäftsbericht „signifikante Risiken“ im Logistikbereich.
Verkaufsgerüchte um Hermes
Der angeschlagene Paketdienst taucht seit Jahren in Übernahmegerüchten auf. Gespräche mit DPD verliefen ergebnislos, auch Fedex zeigte Interesse, ist jedoch anderweitig gebunden. Ein realistischer Kandidat scheint die polnische InPost-Gruppe. Sie kaufte bereits Mondial Relay von der Otto Group.
Branchenkenner vermuten zudem, dass vor allem chinesische Onlinehändler wie Temu oder Shein an einem Einstieg interessiert sind. „Onlinehändler aus China dürften stark an einem deutschen Paketdienst interessiert sein“, betonte Back.
Vorbild Amazon und neue Investoren
Amazon hat erfolgreich eine eigene Zustell-Infrastruktur aufgebaut. Onlinehändler aus Asien könnten mit Hermes denselben Weg einschlagen. Besonders die rund 17.000 Paketshops gelten als wertvoll. Auch JD.com, derzeit im Gespräch wegen einer Übernahme von Media-Markt-Saturn, könnte Hermes ins Visier nehmen.
Sollte kein Verkauf zustande kommen, drohen weitere Einschnitte. Möglich ist ein Rückzug aus ländlichen Regionen, während der Fokus auf Großstädte gelegt wird. Hermes kooperiert bereits eng mit DHL und speist Sendungen in deren Netz ein.
Schwächen im Geschäftsmodell
Hermes konzentrierte sich traditionell auf Privatkunden. Doch diese Ausrichtung erweist sich im Wettbewerb als Nachteil. Zustellungen an Haushalte erfordern mehrere Anläufe, während Geschäftskunden zuverlässiger erreichbar sind.
DPD, GLS oder UPS profitieren von gebündelten Lieferungen und festen Kundenbeziehungen. DHL deckt beide Bereiche ab und hält mit 50 Prozent Marktanteil die Spitzenposition. Hermes fehlt hingegen ein klares Alleinstellungsmerkmal.
Wandel im Ansehen des Paketdienstes
Früher galt Hermes als günstiger Anbieter, wenn auch mit längeren Lieferzeiten. Nach Preiserhöhungen entfällt dieser Vorteil. Branchenbeobachter Steffen Persiel stellte fest: „Hermes Germany fehlt ein Alleinstellungsmerkmal.“ Die Preise liegen inzwischen nahe beim Marktführer Post, ohne dass der Paketdienst mit anderen Stärken punkten könnte.
Die Zukunft bleibt unklar. Ob durch Verkauf an Onlinehändler, harte Restrukturierung oder Kooperation mit DHL – Hermes steht vor einschneidenden Entscheidungen. Ohne Neuausrichtung droht ein weiterer Absturz.
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