Netzagentur warnt: 71 neue Gaskraftwerke mit insgesamt 35,5 GW Kraftwerksleistung nötig

Deutschland steht vor einem Engpass bei der Energieversorgung. Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur müssen bis 2035 insgesamt 35,5 Gigawatt steuerbare Leistung ans Netz, was den Bau von rund 71 neuen Gaskraftwerken erfordert. Nur so lässt sich die Versorgungssicherheit in Zeiten schwankender Wind- und Solarproduktion garantieren. Der steigende Strombedarf kann anders nicht zuverlässig gedeckt werden (welt: 03.09.25).


Milliardenbedarf für neue Gaskraftwerke

Der aktuelle Bericht der Bundesnetzagentur nennt Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Ein einzelnes Gaskraftwerk der 500-Megawatt-Klasse kostet zwischen 600 und 800 Millionen Euro. Da der Ausbau der Windenergie stockt und die Photovoltaik durch Netzauflagen gebremst werden könnte, setzt die Politik auf den massiven Neubau von Gaskraftwerken. Ohne diese Anlagen gerät die gesamte Energiewende ins Wanken, weil der steigende Strombedarf nicht abgesichert wäre.

Deutschland braucht 71 neue Gaskraftwerke mit 35,5 GW Leistung, um Versorgungssicherheit und Energiewende zu sichern
Deutschland braucht 71 neue Gaskraftwerke mit 35,5 GW Leistung, um Versorgungssicherheit und Energiewende zu sichern

Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck fand in Brüssel keine Zustimmung für Subventionen. Seine Nachfolgerin Katherina Reiche versucht nun, mit der EU-Kommission eine Lösung zu erreichen. Ohne Zuschüsse rechnet die Branche kaum mit einem raschen Bau neuer Gaskraftwerke.

Widerstand gegen Gaskraftwerke aus Klimakreisen

Die Kritik bleibt scharf. Katherina Dröge von den Grünen warnte: „Eine Politik, die auf gigantische Mengen an fossilen Gaskraftwerken setzt, ohne den Weg in Richtung Wasserstoff zu gehen, verbrennt unsere Zukunft und schadet der Wirtschaft in Deutschland.“ Umweltverbände kündigten sogar einen „Herbst des Klimawiderstandes“ an.

Die Deutsche Umwelthilfe präsentierte eine Umfrage, nach der 59 Prozent der Bevölkerung neue Projekte ablehnen. Unter den Unionswählern stieg die Ablehnung sogar auf 71 Prozent. Gegner verweisen auf Speicher und flexible Verbraucher, doch die Bundesnetzagentur hält diese Lösungen allein für unzureichend.

Speicher reichen nicht aus

Batterien in Haushalten sind meist nach kurzer Zeit voll und helfen bei langen Winterphasen ohne Sonne und Wind nicht. Flexible Verbraucher wie Wallboxen oder Produktionsanlagen tragen bei, können aber keine 35,5 Gigawatt ersetzen. Die Behörde kalkuliert mit einer Flexibilisierung von 25 Gigawatt, was der Kapazität von 25 Atomkraftwerken entspricht. Für die Versorgungssicherheit reicht das nicht.

Der Ausbau der Windenergie bleibt weit hinter den Plänen zurück, und auch beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft gibt es kaum Fortschritte. Selbst die Zahl der Elektroautos, deren Batterien als Zwischenspeicher gedacht sind, wächst viel langsamer als in den Szenarien der Energiewende kalkuliert.

Kohle als Rückfalloption

Im Bericht zur Versorgungssicherheit spricht die Behörde von „steuerbarer Kraftwerksleistung“. Damit könnten im Ernstfall auch Kohlekraftwerke länger laufen. Sollte Brüssel keine Zuschüsse genehmigen, bliebe nur dieser Weg, um den Strombedarf zu sichern.

Die Technologieoffenheit im Papier wirkt allerdings theoretisch, denn das Wort Gaskraftwerke taucht dort über 50 Mal auf. Auch das Bundeswirtschaftsministerium bezieht sich ausschließlich auf diese Option. Da Wasserstoff weltweit nur schleppend verfügbar ist, gilt die Pflicht zur späteren Umrüstung als unwahrscheinlich. Für Investoren bleiben Projekte ohne Fördermittel unattraktiv.


Risiko für die Energieversorgung

Die Bundesnetzagentur warnt: Ab 2030 könnte der Markt den Strombedarf nicht in jedem Moment decken. In solchen Fällen müssten Reserven außerhalb des regulären Strommarktes aktiviert werden. Eine gesicherte Energieversorgung hängt daher unmittelbar vom Neubau ab.

Ministerin Reiche kündigte erste Ausschreibungen für Fördermittel noch in diesem Jahr an. Ob die EU rechtzeitig zustimmt, ist unklar. Klar bleibt jedoch: Ohne neue Gaskraftwerke droht Deutschland ein gravierender Rückschlag für die Energiewende und die Versorgungssicherheit.

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