Negative Strompreise sind längst kein Randphänomen mehr, sondern ein zentrales Kostenproblem des deutschen Stromsystems. Immer häufiger entsteht zur Mittagszeit ein massives Überangebot, das Netze und Nachfrage überfordert. Die Folgen sind teuer. Redispatch-Kosten, steigende Netzentgelte, zunehmender Überschussstrom und strukturelle Marktverzerrungen summieren sich zu Milliardenbeträgen, die letztlich alle Stromkunden tragen.
Negative Strompreise als Warnsignal des Strommarkts
Negative Strompreise zeigen an, dass Strom produziert wird, obwohl er aktuell keinen Abnehmer findet. 2025 wurden bereits mehr als 570 Stunden mit solchen Preissignalen registriert. Das bedeutet keinen Vorteil für Verbraucher, sondern einen klaren Hinweis auf systemische Überproduktion. Der Strom ist vorhanden, kann jedoch weder gespeichert noch sinnvoll verteilt werden.

Gleichzeitig wächst der Überschussstrom, weil Photovoltaikanlagen mittags nahezu gleichzeitig einspeisen. Speicher fehlen, flexible Verbraucher ebenfalls. Der Netzausbau hält nicht Schritt. Diese Kombination treibt die Redispatch-Kosten weiter nach oben, während die Netzentgelte dauerhaft steigen.
Warum Überschussstrom Milliarden verursacht
Strom muss jederzeit im Gleichgewicht bleiben. Wird zu viel eingespeist, greifen Netzbetreiber ein. Anlagen werden abgeregelt, obwohl sie kostengünstig produzieren könnten. Die Erzeuger erhalten dennoch eine Vergütung für entgangene Erlöse. Damit wird nicht genutzte Energie bezahlt, obwohl kein Nutzen entsteht.
Parallel dazu müssen andere Kraftwerke hochfahren, um regionale Engpässe auszugleichen. Häufig handelt es sich um Gaskraftwerke mit deutlich höheren Kosten. So entstehen doppelte Ausgaben, die sich direkt in steigenden Netzentgelten niederschlagen. Negative Strompreise verschärfen diesen Mechanismus, weil sie immer häufiger auftreten.
Redispatch Kosten durch regionale Engpässe
Besonders teuer wird das System bei regionalen Ungleichgewichten. Im Norden fällt viel Solar- und Windstrom an, während der Verbrauch im Süden hoch bleibt. Kann der Strom wegen fehlender Leitungen nicht transportiert werden, entsteht ein Zwangseingriff.
Im Norden werden Anlagen abgeschaltet und entschädigt. Im Süden springt fossile Erzeugung ein. Diese Kombination treibt die Redispatch-Kosten auf Milliardenhöhe. Allein 2023 lagen sie bei über 3,3 Milliarden Euro, 2024 bei rund 2,7 Milliarden Euro. Auch 2025 deutet alles auf eine ähnliche Größenordnung hin, weil negative Strompreise weiter zunehmen.
Steigende Netzentgelte als direkte Folge
Die Kosten dieser Eingriffe verschwinden nicht im System. Sie werden vollständig über die Netzentgelte an die Stromkunden weitergegeben. Haushalte zahlen somit für Strom, der hätte erzeugt werden können, aber nicht genutzt wurde, und zusätzlich für teuren Ersatzstrom.
Mit jeder weiteren Stunde mit negativen Strompreisen wächst diese Belastung. Der Preisauftrieb entsteht nicht durch Knappheit, sondern durch Überfluss zur falschen Zeit am falschen Ort.
Marktverzerrung durch Vergütung nicht genutzter Erzeugung
Zunehmend stellt sich die Frage nach der ökonomischen Logik. Wenn Erzeuger auch dann Geld erhalten, wenn ihr Strom nicht eingespeist wird, entstehen Fehlanreize. Anlagen rechnen sich selbst dort, wo das Netz regelmäßig überlastet ist.
Diese Marktverzerrung führt dazu, dass neue Anlagen an Standorten entstehen, die unter realen Marktbedingungen nicht wettbewerbsfähig wären. Der Überschussstrom wächst weiter, während die Systemkosten steigen. Negative Strompreise sind damit nicht nur ein Symptom, sondern auch ein Verstärker dieser Entwicklung.
Überschussstrom bleibt ein strukturelles Risiko
Auch 2025 zeigt sich keine Entspannung. Allein die Netzreserve verursachte im zweiten Quartal Kosten von rund 267 Millionen Euro. Hinzu kommen Redispatch und Countertrading. Die hohe Zahl an Stunden mit negativen Strompreisen deutet darauf hin, dass sich die Gesamtkosten erneut auf mehrere Milliarden Euro summieren.
Solange Strom dort produziert wird, wo er nicht genutzt oder transportiert werden kann, bleibt das System ineffizient. Der finanzielle Schaden wächst mit jeder weiteren Ausbaustufe.
Nutzung statt Vergütung als Ausweg
Der zentrale Hebel liegt nicht im Ausbau erneuerbarer Energien, sondern in ihrer systemischen Einbindung. Strom sollte dort erzeugt werden, wo er genutzt oder flexibel verschoben werden kann. Nutzung muss Vorrang vor Vergütung erhalten.
Konzepte, die Überschussstrom gezielt in den Verbrauch lenken, könnten Redispatch-Kosten, Netzentgelte und Marktverzerrungen reduzieren. Solange jedoch negative Strompreise zum Dauerzustand werden, bleibt Stromüberfluss kein Vorteil, sondern eine dauerhafte Kostenquelle. (KOB)
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