Immer mehr Stadtwerke bieten eine Bürgerbeteiligung über Nachrangdarlehen an, um ihre Projekte zur Energiewende-Finanzierung zu realisieren. Der Grund liegt in fehlendem Eigenkapital: Viele kommunale Versorger können den Ausbau von Solarfeldern, Windparks und Leitungsnetzen nicht allein stemmen. Banken agieren vorsichtig, internationale Märkte bleiben verschlossen – deshalb sollen Bürger als Geldgeber einspringen. Diese Form der Kapitalanlage wirkt auf den ersten Blick attraktiv: stabile Zinsen, lokales Engagement und ein Beitrag zur Energiewende. Doch die vermeintliche Renditechance kann sich schnell in ein Verlustgeschäft verwandeln.
Nachrangdarlehen als unterschätztes Risiko
Ein Nachrangdarlehen unterscheidet sich grundlegend von klassischen Anlageformen. Wer investiert, akzeptiert eine nachrangige Position im Insolvenzfall. Banken, Lieferanten und andere Gläubiger erhalten zuerst ihr Geld – private Anleger können leer ausgehen. Diese Struktur macht das Darlehen zu einem spekulativen Kapitalinvestment, das ohne Einlagensicherung und Sicherheiten auskommt. Auch ein sogenannter Nachrangkredit ändert daran nichts: Das Risiko bleibt vollständig beim Investor.

Hinzu kommt, dass Anleger keine Kontrollrechte besitzen. Sie wissen nicht, ob ihre Einlage effizient eingesetzt wird oder ob Projekte überoptimistisch kalkuliert sind. Der Idealismus vieler Beteiligter schützt sie nicht vor Verlusten.
Ertragsprognosen und volatile Strommärkte
Ein wachsendes Risiko liegt in den unrealistischen Ertragsprognosen vieler Energieprojekte. Betreiber kalkulieren Einnahmen oft auf Basis idealer Wetterbedingungen und hoher Marktpreise. Doch die Realität sieht anders aus: Immer mehr Anlagen speisen gleichzeitig Strom ins Netz. Wenn Überproduktion entsteht, müssen Windräder und Solarfelder zeitweise abgeschaltet werden. Das drückt den Energieertrag und gefährdet die gesamte Energiewende-Finanzierung.
Für Anleger ist diese Form der Kapitalanlage daher ein fragiles Investment, das stark von unberechenbaren Märkten abhängt. Selbst technisch funktionierende Anlagen können Verluste bringen, wenn der Strom nicht abgenommen oder nur zu Dumpingpreisen verkauft wird. Die erhoffte Renditeoption kann sich schnell in Luft auflösen.
Bürgerbeteiligung oder nur Marketing?
Viele Stadtwerke vermarkten ihre Angebote als Bürgerbeteiligung – mit dem Versprechen regionaler Verantwortung. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine reine Finanzkonstruktion. Anleger haben weder Mitspracherecht noch Anspruch auf Rückzahlung, solange das Unternehmen zahlungsunfähig ist. Für die Versorger bedeutet dieses Kapital bilanziellen Spielraum, für die Bürger ein erhebliches Risiko.
Solche Modelle wirken wie eine Gemeinschaftsbeteiligung, sind aber rechtlich Nachrangdarlehen ohne Schutzmechanismen. Die emotionale Bindung an lokale Projekte darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der Bürger im Ernstfall als Letzter bedient wird.
Unsichere Erträge und politische Abhängigkeit
Selbst scheinbar feste Zinsen von 3 oder 4 Prozent bieten keine Sicherheit. Gerät das Unternehmen in Schieflage, können Zinszahlungen ausgesetzt werden. Jede Änderung bei Subventionen, CO₂-Bepreisung oder Netzentgelten wirkt sich direkt auf die Rentabilität aus. Die wachsende Einspeisung erneuerbarer Energien führt immer häufiger zu Netzüberlastungen – und damit zu Abschaltungen.
Diese Entwicklung zeigt die Schwäche vieler Transformationsfinanzierungen: Je erfolgreicher der Ausbau der Erneuerbaren, desto unsicherer werden die Erträge. Das grüne Image täuscht über die tatsächliche Instabilität hinweg.
Fazit: Hohe Risiken trotz nachhaltiger Fassade
Ein Nachrangdarlehen mag wie eine Beteiligung an der Energiewende erscheinen, doch es bleibt ein spekulatives Finanzprodukt. Wer sich beteiligt, trägt das volle wirtschaftliche Risiko – ohne Sicherheiten, ohne Kontrolle, mit unsicherer Renditechance. Die zunehmende Überproduktion von Strom und die wachsende Zahl von Abschaltungen machen diese Form der Energiewende-Finanzierung noch riskanter.
Bürger sollten sich bewusst machen: Eine vermeintlich grüne Kapitalanlage kann am Ende teuer werden. Stadtwerke profitieren von zusätzlichem Eigenkapital, während Anleger das unternehmerische Risiko tragen. Nachhaltigkeit ersetzt keine Sicherheit. (KOB)
Lesen Sie auch:
