Seit über zwanzig Jahren steht ZDF-Investigativjournalist Andreas Halbach für kritische Recherchen und aufklärende Berichterstattung. Im Interview mit der Welt beschreibt er, wie sich nach seiner öffentlichen Kritik an internen Missständen beim Sender sein Berufsalltag drastisch verändert hat. Der Reporter, bekannt für mehr als 300 Beiträge beim Magazin „Frontal“, berichtet von Zensur, Einschüchterung und offenem Machtmissbrauch. Seine Aussagen vor dem NRW-Kulturausschuss über Manipulation, unterdrückte Recherchen und ein Klima der Angst haben gravierende Folgen – für ihn persönlich und für das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (welt: 13.20.25).
ZDF-internes Schweigen und berufliche Isolation
Nach seiner deutlichen Kritik reagierte die Redaktion des ZDF mit Distanz und Druck. Drei leitende Redakteure verweigerten jede weitere Zusammenarbeit, eine Beschwerde folgte ohne Begründung. Halbach verlor seine Projekte – darunter einen Beitrag über mutmaßliche Preisabzocke bei der Fernwärme. Der geplante Sendetermin im Oktober fiel aus. Für Halbach ist das kein Zufall, sondern ein gezielter Versuch, kritische Stimmen im Sender mundtot zu machen.

Diese Entwicklung versteht er als bewusste Einschüchterung. Die sofortige Umsetzung der Sanktionen – ohne Anhörung oder Untersuchung – schränkt nach seinen Worten seine Berufsfreiheit erheblich ein. Besonders irritierend für ihn: Er habe die ZDF-Chefredaktion bereits Wochen vor seiner Anhörung über die geplanten Aussagen informiert, doch reagiert habe der Sender erst, nachdem seine Kritik öffentlich war.
Kommunikationsabteilung und Zensurvorwürfe
Kurz nach seinem Auftritt im Landtag veröffentlichte die ZDF-Kommunikationsabteilung einen internen Beitrag über Halbach. Der Artikel, für tausende Mitarbeiter einsehbar, bezog sich auf seine Recherchen zum RBB-Schlesinger-Skandal, stellte diese jedoch verzerrt dar. Halbach wirft den Verantwortlichen Zensur und Irreführung vor. Die Behauptung, sein Themenvorschlag sei „zu spät“ eingegangen, hält er für falsch. Seine Recherchen seien rechtzeitig eingereicht worden, lange bevor gegen Schlesinger Ermittlungen liefen.
Für ihn liegt darin nicht nur eine Verletzung journalistischer Grundsätze, sondern auch gezielter Machtmissbrauch. Das ZDF habe ihn vor der Veröffentlichung nicht angehört, seine Stellungnahme bewusst ausgelassen und so seinen Ruf intern geschwächt.
Angstkultur und fehlende Mitbestimmung
Halbach sieht in diesen Vorgängen ein tieferes strukturelles Problem: Hierarchische Entscheidungswege, mangelnde Transparenz und fehlende Mitbestimmung der Journalisten. Beschwerden lägen in den Händen der Abteilungsleiter oder des Intendanten – unabhängige Kontrollgremien existierten praktisch nicht. Diese Strukturen begünstigten Einschüchterung und förderten Anpassung statt Aufklärung.
Ein Redaktionsstatut mit verbindlichen Mitspracherechten könne laut Halbach Abhilfe schaffen. Nur so lasse sich die innere Rundfunkfreiheit sichern. Das derzeitige System des ZDF hingegen fördere Missstände und Selbstzensur – ein Klima, in dem kritische Stimmen verstummen.
Konflikte und Unterstützung im Kollegenkreis
In der letzten Redaktionskonferenz, an der Halbach teilnahm, eskalierte die Situation. Einige Kollegen warfen ihm vor, durch seine Kritik das Ansehen der Redaktion beschädigt zu haben. Halbach betonte sein Vertrauen in das Team, doch die Atmosphäre blieb vergiftet. Trotz der Spannungen erhielt er zahlreiche Unterstützungsbekundungen – viele Journalisten berichteten von ähnlichen Erlebnissen.
Diese Berichte handeln von Ausgrenzung, unterdrückten Themen und psychischem Druck. Besonders befristet Beschäftigte hielten sich mit Kritik zurück, um ihre Verträge nicht zu gefährden. Für Halbach zeigt das, wie Angst und wirtschaftliche Abhängigkeit journalistische Unabhängigkeit im ZDF aushöhlen.
Der Ruf nach Reformen
Auch auf politischer Ebene mehren sich die kritischen Stimmen. Politiker wie Reiner Haseloff sprechen offen von einer „politischen Unwucht“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Halbach teilt diese Einschätzung, sieht den Fokus aber zu einseitig auf Einzelfällen. Er fordert, strukturelle Missstände anzupacken und journalistische Neutralität zu schützen.
Er macht deutlich: Sein Fall stehe stellvertretend für ein System, das Kritik sanktioniert, statt sie als Chance zur Erneuerung zu begreifen. Der erfahrene Journalist zeigt sich entschlossen, gegen Rufschädigung und Zensur vorzugehen. Ohne grundlegende Reformen drohe das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk endgültig zu zerbrechen.
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