Ohne neue Leitungen kommt Windstrom aus dem Norden nicht in den Süden. Der Transport über Erdkabel ist jedoch teurer als über Freileitungen. Einige Bundesländer bevorzugen daher Freileitungen. Die Bundesnetzagentur hat bereits Berechnungen durchgeführt. Tausende Kilometer neuer Überland-Stromleitungen sind notwendig für die Energiewende. Diese „Stromautobahnen“ sollen vor allem Windstrom aus dem Norden in den Süden transportieren. Ein erheblicher Anteil davon sollen Erdkabel sein – diese sind jedoch wesentlich teurer als Freileitungen. Die Kosten werden über die Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt, was zu einer Debatte geführt hat. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zeigt, dass einige Bundesländer einen Kurswechsel fordern (FAZ: 03.06.24).
35,3 Milliarden Einsparpotential durch Umstieg von Erdkabel auf Freileitungen
Die Netzagentur schätzt das Investitionsvolumen für den Ausbau der Übertragungsnetze bis 2045 auf rund 320 Milliarden Euro, einschließlich der Offshore-Projekte. Ohne Erdkabel könnten 16,5 Milliarden Euro bei Projekten an Land und 18,8 Milliarden Euro bei Offshore-Anbindungsleitungen eingespart werden. Insgesamt könnte ein Investitionsvolumen von 284,7 Milliarden Euro erreicht werden, was 35,3 Milliarden Euro weniger wäre als mit Erdkabeln.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erkennt den Kostenaspekt, ist jedoch gegen eine Änderung der Regelungen. In einem Interview mit der „Zeit“ betonte er, dass ein Wechsel zu Freileitungen nur möglich sei, wenn alle Länder inklusive Bayern die Bundesregierung auffordern würden. Zudem müssten alle Regionen dafür werben. Lange Debatten würden den Netzausbau weiter verteuern. Bis 2045 müssen rund 18.000 Kilometer Netz verstärkt oder ausgebaut werden. 2023 hat sich die Anzahl der in Bau gegangenen Trassenkilometer gegenüber 2021 verdoppelt, und ein Rekordzubau von rund 1500 Kilometern wird erwartet.
Freileitungen vs. Erdkabel: Bundesländer im Streit um den Stromnetzausbau
Mehrere Bundesländer sind direkt von den Ausbauplänen betroffen. Einige wie Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Rheinland-Pfalz befürworten Freileitungen. Sie argumentieren, dass Freileitungen schneller und kostengünstiger zu errichten sind. Andere wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen setzen auf Erdkabel und begründen dies mit der Akzeptanz in der Bevölkerung.
In Baden-Württemberg betont das Umweltministerium die Vorteile von Freileitungen: „Sie können schneller errichtet werden und verursachen einen geringeren Eingriff in den Boden.“ Zudem seien sie kostengünstiger. Auch in Hessen gibt es Unterstützung für Freileitungen. Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori betont das Interesse an bezahlbaren Strompreisen und Netzentgelten. Erdkabel seien damals eingeführt worden, um die Akzeptanz zu erhöhen, jedoch werden auch breite Schneisen für Erdkabel oft als Zumutung empfunden.
Brandenburg unterstützt ebenfalls den Verzicht auf Erdkabel, da der technische Aufwand höher ist und somit auch der zeitliche Aufwand für den Netzausbau steigt. Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann spricht sich ebenfalls dafür aus, den Vorrang für Erdkabel aufzugeben. „Mit dem verstärkten Bau von Freileitungen könnte der Netzausbau in Deutschland deutlich schneller und kostengünstiger umgesetzt werden“, erklärte er.
Energiewende-Kontroverse: Warum Niedersachsen, Schleswig-Holstein und NRW auf Erdkabel bestehen
Andere Bundesländer wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen lehnen einen Wechsel zu Freileitungen ab. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer betont die Akzeptanz in der Bevölkerung durch die Erdverkabelung und warnt vor einem Rückschritt bei der Energiewende. Schleswig-Holsteins Energiewendeministerium spricht sich ebenfalls für Erdkabel aus. „Es gibt bessere Wege, die Strompreise zu senken, als mit der Akzeptanz für die Energiewende zu spielen“, so das Ministerium. In Nordrhein-Westfalen befürchtet das Wirtschaftsministerium, dass eine Umplanung zu Freileitungen die Akzeptanz vor Ort verlieren könnte und die gerade beschleunigten Genehmigungsverfahren wieder verzögern würde.
Mecklenburg-Vorpommern betrachtet den Einzelfall und bevorzugt eine differenzierte Lösung, die sowohl Kosten- als auch Akzeptanzfaktoren berücksichtigt. Insgesamt zeigt die Debatte, dass die Entscheidung zwischen Erdkabeln und Freileitungen komplex ist und von vielen Faktoren abhängt. Jede Lösung hat ihre eigenen Vor- und Nachteile, und die Prioritäten variieren je nach Bundesland.
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