Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 steht trotz Beschädigung erneut im Zentrum eines geopolitischen Machtkampfs. US-Investoren wittern Profit, die EU blockt ab. Dabei geht bei diesem Machtkampf nicht nur um Energieversorgung, sondern auch um Einflusszonen, Sanktionen und strategische Bündnisse. Europa droht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen zu werden (merkur: 25.06.25).
Brüssel verschärft den Machtkampf
Mit einem neuen Energiepaket zieht die EU-Kommission klare Grenzen. Ab dem kommenden Jahr sollen keine Verträge mit russischen Lieferanten mehr möglich sein. Spätestens Ende 2027 endet laut Plan der Gasfluss aus Russland. Ursula von der Leyen erklärt: „Russland hat wiederholt versucht, die Energieversorgung als Waffe zu nutzen und uns damit zu erpressen.“ Ziel ist es, Investitionen in Nord Stream 1 und 2 dauerhaft zu unterbinden – auch über Umwege durch Drittländer oder Investoren.

Besonders kritisch betrachtet Brüssel die Aktivitäten amerikanischer Investoren, die über eine Wiederbelebung der Pipeline spekulieren. Der politische Machtkampf verschärft sich damit weiter – auch jenseits wirtschaftlicher Argumente.
US-Investoren setzen auf Trump
Nach dem Stopp der Gaslieferungen und den Schäden durch Explosionen galt Nord Stream 2 als gescheitert. Doch mögliche politische Veränderungen in den USA lassen neue Optionen entstehen. Einzelne US-Investoren hoffen auf einen Kurswechsel unter Donald Trump. Sollte es zu einem Friedensabkommen mit Russland kommen, könnten amerikanische Unternehmen über Nord Stream 2 als Zwischenhändler agieren.
Das Geschäftsmodell wäre lukrativ: Russland exportiert Gas, die USA kassieren, Europa bleibt abhängig. Die Umgehung von EU-Sanktionen würde bewusst in Kauf genommen. Im Mittelpunkt steht erneut die Frage, wer die Kontrolle über Europas Energiemarkt beansprucht.
Ausnahmeantrag sorgt für Nervosität
Stephen Lynch, ein erfahrener US-Investor mit Russland-Erfahrung, hat nach Informationen von Zeit Online bei der Sanktionsbehörde Ofac einen Antrag eingereicht. Ziel: die Übernahme von Nord Stream 2. Ob die Genehmigung erfolgt, bleibt offen. Die US-Regierung schweigt bislang.
Branchenkenner vermuten, dass Lynch nicht allein handelt. Ein strategisches Zusammenspiel mit Trumps Umfeld könnte die Pipeline wieder ins Spiel bringen. In Brüssel wächst daher die Sorge, dass nationale Interessen den europäischen Sanktionsmechanismus unterlaufen.
Symbolpolitik gegen reale Interessen
Gasmarkt-Analyst Heiko Lohmann äußert klare Zweifel an der Wirksamkeit der EU-Pläne: „Sollte US-Präsident Donald Trump tatsächlich Stephen Lynch den Erwerb von Nord Stream erlauben und für diesen Fall Sanktionen gegen russische Entitäten aufheben, würde er vermutlich die geplanten EU-Sanktionen in der Luft zerreißen. Für mich ist das vor allem Symbolpolitik.“
Das Bundeswirtschaftsministerium hält sich offiziell zurück. Der Plan der Kommission liegt auf dem Tisch, eine detaillierte Analyse steht noch aus. Die Dynamik des internationalen Machtkampfs zwingt Berlin zu taktischem Stillhalten.
Nord Stream 2 bleibt Spielball globaler Machtinteressen
Obwohl beschädigt, hat Nord Stream 2 strategischen Wert behalten. Der Machtkampf zwischen USA und EU verschiebt sich zunehmend auf das Terrain internationaler Energiepolitik. Während Europa Autarkie anstrebt, wachsen die Begehrlichkeiten in Übersee. Der Ausgang bleibt offen – nicht zuletzt wegen der kommenden US-Wahl.
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