Der Rat der Wirtschaftsweisen kritisiert die deutsche Politik scharf: Die wirtschaftliche Lage ist schlecht, die Aussichten düster und das Fundament für den Wohlstand zerbröckelt. Staatliche Kernaufgaben bleiben auf der Strecke. Dorothea Siems, Chefökonomin der „Welt“, äußerte sich empört: „Diesen Sachverständigenrat braucht niemand. Die beste Lösung wäre ein geschlossener Rücktritt, um Platz für einen Neuanfang zu schaffen.“ Ihre Worte spiegeln die Frustration vieler Experten wider, die die gegenwärtige wirtschaftliche Misere nicht länger hinnehmen möchten (cicero: 14.11.24).
Wirtschaftsrat im Chaos: Machtkämpfe statt klarer Analysen
Der Sachverständigenrat, der offiziell mit führenden Wirtschaftswissenschaftlern besetzt ist, soll der Regierung unabhängig und kritisch auf die Finger schauen. Doch die politische Einflussnahme hat das Gremium in den letzten Jahren zusehends gespalten. Ein Beispiel ist die gezielte Verdrängung liberaler Ökonomen wie Lars Feld durch die SPD, ein Mitentwickler der Schuldenbremse und ehemaliger Berater von Finanzminister Christian Lindner. Statt klare wirtschaftspolitische Analysen zu liefern, zieht der Rat nun durch interne Machtkämpfe und Intrigen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Das eigentliche Ziel, die Politik fachlich zu beraten, tritt immer mehr in den Hintergrund.
Vernachlässigte Infrastruktur und kritische Lücken
Siems äußerte ihre Enttäuschung über das neue Jahresgutachten mit dem Titel „Versäumnisse angehen, entschlossen modernisieren“. Sie vermisst eine schonungslose Analyse der größten Standortprobleme. Die fünf Wirtschaftsweisen hätten es versäumt, wesentliche Themen wie die hohen Kosten der Energiewende oder die Überlastung des Sozialsystems anzusprechen. Auch die weltweit höchsten Steuer- und Abgabenlasten sowie die wirtschaftlichen Folgen der Zuwanderung bleiben unberücksichtigt. Stattdessen verzettelt sich das Gutachten in Details, obwohl der Wohlstand des Landes angesichts einer existenziellen wirtschaftlichen Krise in Gefahr ist.
Die Diagnose lässt keinen Zweifel: Das schwache Wachstum des Landes wurzelt tief in strukturellen Problemen. Es lässt sich nicht nur auf äußere Faktoren wie internationale Konflikte oder globale Wirtschaftskrisen schieben. Für das Jahr 2023 prognostizieren die Wirtschaftsweisen sogar ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent. Das ist eine deutliche Warnung. Die Verfehlungen der gegenwärtigen und früheren Bundesregierungen sind nicht zu übersehen. Jahrzehntelange politische Fehlentscheidungen haben eine wirtschaftliche Misere ausgelöst, die den Wohlstand des Landes nun teuer bezahlt.
Rekordinvestitionen trotz maroder Infrastruktur
Deutschland hat das Fundament seines Wohlstands systematisch vernachlässigt. Straßen, Brücken, Schienen, Schulen und Kasernen sind vielerorts marode, obwohl der Staat auf Rekordeinnahmen und explodierende Ausgaben blicken kann. „Die zukunftsorientierten Ausgaben für Verkehr, Bildung und Verteidigung sind zu gering“, erklärte Achim Truger vom Sachverständigenrat. Die Infrastruktur zeigt sichtbare Defizite, und bei der Bildung erreicht Deutschland in internationalen Vergleichstests so schlechte Werte wie nie zuvor. Truger betonte, dass der Sanierungsbedarf Milliardenbeträge erfordert – und das in kurzer Zeit.
Diese Summen sind beeindruckend, doch es stellt sich unweigerlich die Frage, wie es überhaupt zu diesem Investitionsstau kommen konnte. Seit Jahren belastet die Energiewende die öffentlichen Kassen, und die seit 2015 unbegrenzt laufende Zuwanderung in den Sozialstaat bringt zusätzliche Kosten mit sich. Doch genau diese heiklen Themen scheinen für die Wirtschaftsweisen Tabu zu sein. Stattdessen konzentriert sich die Kritik auf den Hang der Politiker, durch kurzfristige Ausgaben Wählerstimmen zu sichern. Maßnahmen mit langfristigen Vorteilen, etwa Investitionen in Bildung oder Infrastruktur, werden aufgeschoben. Und viele Ausgaben verpuffen, ohne der Wählerschaft tatsächlich zu nützen.
Falsche Prioritäten und der Preis der Vergangenheit
Einige Vorschläge der Wirtschaftsweisen versuchen, die Staatsausgaben besser zu lenken. Doch ohne drastische Kürzungen bei unsinnigen Projekten bleiben diese Reformvorschläge wirkungslos. Selbst die Debatte um eine Reform der Schuldenbremse krankt an diesem Dilemma. Die Schuldenbremse sollte den Staat eigentlich zu Disziplin zwingen. Doch stattdessen plant die Politik immer neue Aufgaben und vernachlässigt ihre Kernaufgaben.
Monika Schnitzer, ein weiteres Mitglied des Rats, zeigte sich bei der Vorstellung des Gutachtens erfreut, dass CDU-Chef Friedrich Merz die Idee einer gelockerten Schuldenbremse erwägt. „Es war zu hören, dass Merz sich für eine Reform der Schuldenbremse offen zeigt, wenn das Geld sinnvoll verwendet wird“, sagte Schnitzer. Doch was sinnvoll ist, darüber herrscht keine Einigkeit. Seit Jahren setzt Deutschland auf die falschen Prioritäten. Die Quittung zeigt sich jetzt, wo dringend Investitionen nötig sind, aber das Geld fehlt.
Die anhaltende Diskussion, wie sich Schulden sinnvoll einsetzen lassen, lenkt vom eigentlichen Problem ab. Neue Schulden dürfen nicht zur Lösung alter Fehler genutzt werden, ohne eine tiefgehende Analyse der bisherigen Ausgabenpolitik. Die Ampelkoalition hat bereits versucht, den Haushalt durch kreative Finanzkonstruktionen zu stabilisieren – ein Vorhaben, das scheiterte. Stattdessen braucht es klare Reformen, die den Fokus auf langfristige Investitionen legen und den Wohlstand sichern.
Ein düsteres Bild für die Zukunft
Die Unternehmerin Nicola Leibinger-Kammüller hat das Problem in einem Interview anschaulich beschrieben: „Wenn die schwäbische Hausfrau erkennt, dass es zum Dach reinregnet, kauft sie kein neues Sofa. Das Dach muss repariert werden.“ Dieser Pragmatismus fehlt der deutschen Politik. Schulden können eine Lösung sein, aber nur, wenn sie in notwendige Bereiche wie Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung fließen. Zuvor jedoch muss eine grundlegende Ausgabenkorrektur erfolgen.
Trotz enormer Steuereinnahmen von 915,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 behaupten einige, der Staat könne seine Kernaufgaben nicht mehr erfüllen. Das ist ein bequemes Märchen, erzählt von denen, die vom aufgeblähten Staatsapparat profitieren. Die Wahrheit ist, dass das Geld oft ineffizient verwendet wird. Es braucht einen radikalen Kurswechsel, um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands zu sichern.
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