Laut Joannes Laveyne, Forscher am Labor für elektrische Energie an der Universität Gent, besteht in Frankreich ein hohes Risiko von Stromengpässen, und man schließt kontrollierte Stromausfälle in diesem Winter nicht aus (Brussel Times (englisch), 18.08.2022).
Während die Gaspreise in Belgien einen Rekord nach dem anderen brechen, hat auch Frankreich mit außergewöhnlichen Strompreisen zu kämpfen – etwas, das es im Hochsommer noch nie gegeben hat.
„Heute Morgen stiegen die Preise auf 1.200 € und sogar auf 2.200 € pro Megawattstunde (MWh) für variablen Strom“, sagte Laveyne am Donnerstag gegenüber VRT (VRT (niederländisch), 17.08.2022). „In Belgien – und in Deutschland – ist es nicht so schlimm: Die Preise liegen zwischen 500 und 600 Euro pro MWh. Zum Vergleich: Vor der Energiekrise lag ein normaler Preis bei etwa 40 € pro MWh.“
Auf Twitter schrieb Laveyne: „Das ist verrückt. Ein Land wird diesen Winter 1.230 €/MWh und 2.239 €/MWh für Grundlast- bzw. Spitzenlaststrom zahlen. Das andere 603 € und 767 €. Das eine Land ist Frankreich, das andere Deutschland. Nein, nicht andersherum.“ (Twitter, 17.08.2022)
Die Stromrechnungen für Haushalte steigen in Frankreich zwar, aber nicht so stark wie in anderen europäischen Ländern. „Frankreich ist in dieser Hinsicht ein besonderes Land: Drei Viertel der Haushaltskunden haben dort einen regulierten Tarif, bei dem sie einen Höchstsatz zahlen. Ihre Rechnung könnte sich verdoppeln, aber sie wird nicht plötzlich 10 oder 20 Mal teurer.“ Das liegt daran, dass der staatliche Stromversorger EDF (der den Strom produziert) für die zusätzlichen Kosten aufkommen muss. „Diese belaufen sich auf 8 bis 15 Milliarden Euro. Das wird natürlich in den Steuerbescheid einfließen.“
Ganze Regionen im Dunkeln sitzen lassen
Laveyne zufolge verschärfen sich die drastischen Preissteigerungen noch dadurch, dass mehr als die Hälfte der französischen Kernkraftwerke (die normalerweise über 70 % des Stroms liefern) außer Betrieb sind. Zum Teil legt dies an Wartungsarbeiten, zum Teil, um mögliche Beeinträchtigungen ihres sicheren Betriebs zu beheben, und zum Teil, weil der Wasserstand der Flüsse, in denen sie liegen, zu niedrig ist, um die Reaktoren kühl zu halten.
„EDF tut alles, um so viele Kraftwerke wie möglich bis zum Winter wieder in Betrieb zu nehmen, aber im Moment herrscht noch große Unsicherheit“, sagte er. „Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Stromknappheit kommt.“ Aus diesem Grund sind wirtschaftliche Stilllegungen „so gut wie sicher“, sagte Laveyne. „Die Unternehmen werden vorübergehend schließen, weil der Strom einfach unbezahlbar wird. Die Regierung wird auf kontrollierte Stromabschaltungen zurückgreifen müssen: Regionen werden zum Beispiel für eine Stunde im Dunkeln sitzen, um Strom zu sparen.“ Die gezielte Abschaltung von Strom klingt zwar drastisch, aber kontrollierte Stromausfälle helfen, unerwartete Ausfälle zu verhindern – die weitaus schwerwiegendere Folgen hätten und sogar andere Länder betreffen würden.
Unerwarteter Ausfall kann Auswirkung auf andere europäische Länder haben
Ein unerwarteter Ausfall „könnte eine Bedrohung für Belgien und Deutschland darstellen, da wir über eine Hochspannungsleitung miteinander verbunden sind“, sagte Laveyne. „Im schlimmsten Fall würden wir und andere europäische Länder ebenfalls im Dunkeln sitzen. Ich sage nicht, dass das in diesem Winter passieren wird – die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering -, aber was Frankreich betrifft, waren wir noch nie näher an einem Stromausfall.“
Was die Gasversorgung in Belgien angeht, so werden keine Probleme erwartet, aber Laveyne befürchtet, dass die Preise noch weiter steigen werden. „Wegen der Trockenheit können die Atomkraftwerke weniger Strom produzieren, es kann weniger Kohle über den Rhein transportiert werden usw. All das bedeutet, dass die Gaskraftwerke mehr laufen müssen und somit Gas verbrauchen, das normalerweise in den Reserven gelagert würde. So wie es jetzt aussieht, werden die Preise den ganzen Winter über und darüber hinaus hoch bleiben. Das ist eine schlechte Nachricht für die Energierechnungen der Familien, aber sicherlich auch für die der Industrie. Es wird kein warmer Winter werden.“
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