Kein Anschluss, kein Strom – Großbatterien scheitern am maroden Netz

Großbatterien gelten als zentrale Technologie der Energiewende. Sie speichern Strom aus Sonne und Wind und geben ihn dann ab, wenn die Nachfrage steigt. Unternehmen planen derzeit hunderte solcher Speicherprojekte, um flexibel Strom zu handeln und Versorgungslücken zu schließen. Doch während die Nachfrage steigt, bleibt der Ausbau der Netzinfrastruktur weit zurück. Besonders beim Energiedienstleister Westenergie häufen sich die Probleme. Speicherbetreiber müssen dort mit bis zu 15 Jahren Wartezeit rechnen. Die Energiewende droht so an technischen Grenzen zu scheitern (welt: 07.07.25).


Großbatterien treffen auf überlastete Verteilnetze

Seit Ende 2023 spricht die Branche von einem „Batterie-Tsunami“. Der Ansturm auf Großbatterien überfordert die Netzbetreiber. Allein im Januar gingen mehr als 650 neue Speicheranfragen mit einer Leistung von über einem Megawatt ein. Der wirtschaftliche Anreiz ist groß: Unternehmen kaufen tagsüber günstigen Solarstrom, speichern ihn in Großbatterien und verkaufen ihn abends zu höheren Preisen.

Großbatterien müssen bis zu 15 Jahre auf Netzanschluss warten – der stockende Netzausbau gefährdet die Schlüsseltechnologie der Energiewende
Großbatterien müssen bis zu 15 Jahre auf Netzanschluss warten – der stockende Netzausbau gefährdet die Schlüsseltechnologie der Energiewende

Doch genau diese Speicherprojekte belasten das Stromnetz. Westenergie, Betreiber zahlreicher Verteilnetze im Westen Deutschlands, veröffentlichte vorübergehend einen Hinweis auf seiner Website. Darin hieß es, dass Netzanschlüsse für Großbatterien mit einer Realisierungsdauer von zehn bis fünfzehn Jahren verbunden seien. Kurz darauf verschwand der Text wieder, doch ein Screenshot landete im Netz. Das Problem war damit öffentlich.

Anfragen steigen, Kapazitäten fehlen

Ein Sprecher des Unternehmens bestätigte die dramatische Zunahme der Anfragen. Bereits 2024 trafen 15-mal mehr Anschlussbegehren ein als 2022. Besonders betroffen sind Netze oberhalb der Niederspannungsebene. Der Eon-Konzern, Muttergesellschaft von Westenergie, beklagt zudem, dass viele Speicheranfragen spekulativ seien. Projektierer würden häufig lediglich prüfen, ob ein Netzanschluss grundsätzlich möglich sei. Diese „Testballons“ verzögern laut Eon-Chef Leonhard Birnbaum die Bearbeitung echter Projekte.

Zudem sei es kaum möglich, die Ernsthaftigkeit der Vorhaben richtig einzuschätzen. Netzbetreiber müssen dadurch auch Anträge prüfen, bei denen eine Umsetzung unklar bleibt. Diese Praxis kostet Zeit – und blockiert Kapazitäten für Speicher, die tatsächlich gebaut werden sollen.

Bayern zeigt einen alternativen Weg

Ein Vergleich mit dem regionalen Netzbetreiber Bayernwerk zeigt, dass es auch anders geht. Das Unternehmen unterscheidet zwischen netzbelastenden und netzdienlichen Großbatterien. Speicher, die kurzfristig große Strommengen einspeisen oder entnehmen, erzeugen eine erhebliche Netzbelastung. Für diese Systeme gelten längere Wartezeiten von mindestens fünf Jahren.

Anders sieht es bei netzdienlichen Speicherlösungen aus. Sie tragen zur Stabilität des Netzes bei, da sie Strom gezielt aufnehmen oder abgeben. Bayernwerk plant derzeit, als erster Netzbetreiber in Deutschland einen solchen Speicher direkt in das Verteilnetz zu integrieren. Der Fokus liegt dabei nicht auf Gewinnmaximierung, sondern auf Versorgungssicherheit.


Politischer Kurswechsel unter Reiche

Der stockende Ausbau des Netzes beschäftigt auch die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Sie stand bis vor Kurzem noch an der Spitze von Westenergie und kennt die Engpässe aus eigener Erfahrung. Reiche fordert eine Neuausrichtung der Energiepolitik. Erneuerbare Energien sollen künftig nicht mehr ohne Rücksicht auf das Netz ausgebaut werden. Vielmehr müsse sich der Zubau an der verfügbaren Infrastruktur orientieren.

Beim „Tag der Industrie“ betonte Reiche: „Zuerst das Netz, dann die Erzeugung.“ Ein Paradigmenwechsel, der auch den Großbatterien zugutekommen könnte. Denn ohne ausreichend Netzknoten, Leitungen und Umspannwerke bleibt ihr Potenzial ungenutzt.

Monitoring-Bericht als Prüfstein

Reiches Ministerium hat kürzlich einen Monitoring-Auftrag an das Aachener Beratungsunternehmen BET vergeben. Ziel ist es, den Strombedarf bis 2030 realistisch einzuschätzen und auf dieser Basis Netz- und Ausbaupläne anzupassen. Die Analyse soll auch zeigen, ob der Ausbau erneuerbarer Energien mit dem derzeitigen Tempo überhaupt notwendig ist.

Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe kritisieren das Projekt. Sie vermuten, dass der Strombedarf bewusst zu niedrig angesetzt werden soll, um Investitionen in Netz und Erneuerbare auszubremsen. Sollte sich diese Einschätzung bestätigen, droht der Ausbau der Großbatterien weiter ins Stocken zu geraten.

Ohne Netz droht der Stillstand

Für Westenergie und andere Netzbetreiber wäre eine realistische Neubewertung der Bedarfe dennoch hilfreich. Wenn sich zeigt, dass nicht alle geplanten Speicher notwendig sind, lassen sich Projekte gezielter priorisieren. Klar ist: Großbatterien entfalten ihr Potenzial nur, wenn das Netz mithält. Ohne Anschluss bleibt selbst der modernste Speicher wirkungslos.

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