Jobkrise in Deutschland: Stellenstreichungen bei Top-Unternehmen

In den letzten Wochen und Monaten gingen beunruhigende Meldungen durch die Medien: Deutsche Unternehmen streichen massenhaft Stellen. Eine Auflistung allein der jüngsten Zeit führt rechnerisch zu 80.000 Jobs, die kurzfristig wegfallen. Die betreffenden Arbeitgeber sind Top-Adressen der einheimischen Wirtschaft, darunter Siemens, Audi, DB und Thyssen.


Tausende Jobs betroffen

Die Nachrichten vermelden es inzwischen fast im Tagestakt: Der Stellenabbau in Deutschland hat teilweise erschreckende Ausmaße angenommen. In der zweiten Märzwoche gab etwa der Mischkonzern Siemens bekannt, allein an seinen deutschen Standorten 2.850 Jobs abzubauen. Heftig fällt der Kahlschlag vor allem in der Automobilindustrie aus:

  • Ford wird am Standort Köln über nächsten drei Jahre die Zahl seiner Beschäftigten von 11.500 Mitarbeitern um 2.900 reduzieren.
  • Audi streicht 7.500 Arbeitsplätze bis Ende 2029.
  • Audis Mutterkonzern VW wird bis 2030 sogar 35.000 Stellen abbauen.
  • Bei Cariad, einer Softwaretochter von VW, arbeiten derzeit noch 5.900 Arbeitnehmer. 1.600 dieser Stellen werden relativ kurzfristig wegfallen.
  • Der Automobilzulieferer ZF-Friedrichshafen, ein Mammutunternehmen, wird in Deutschland bis zu 14.000 Stellen abbauen.
  • Wegen schlechter Geschäftslage und dem Umstieg auf die E-Mobilität streicht auch Zulieferer Schäffler 2.800 Jobs.
Massiver Stellenabbau in deutschen Unternehmen: Über 80.000 Jobs sind bereits in der Auto-, Stahl- und Chemieindustrie betroffen
Massiver Stellenabbau in deutschen Unternehmen: Über 80.000 Jobs sind bereits in der Auto-, Stahl- und Chemieindustrie betroffen

Der VDA (Verband der Automobilindustrie) nennt als Gründe die schleppende deutsche Konjunktur, den internationalen Wettbewerbsdruck und vor allem den Umstieg auf die Elektromobilität. E-Autos sind einfacher konstruiert als Verbrenner und benötigen daher weniger Arbeitskräfte für ihre Produktion. Es dürften dadurch bis 2035 am Industriestandort Deutschland etwa 190.000 Arbeitsplätze wegfallen.

Welche Branchen sind noch betroffen?

Während für die Jobverluste in der Automobilindustrie technologische Gründe zumindest mitverantwortlich sind, leiden andere Unternehmen unter der Rezession, den schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie zu hohen Energiepreisen und Unternehmenssteuern sowie der überbordenden Bürokratie. In der Stahlindustrie kommen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle hinzu. Thyssenkrupp wird in seiner Stahlsparte von 27.000 Stellen 11.000 bis 2030 auslagern oder abbauen. Ein deutscher Standort wird geschlossen. Eines der deutschen Werke will ThyssenKrupp verkaufen. Bei Bosch wird die Zahl der Beschäftigten in Deutschland bis 2032 um gut 7.000 sinken.

Die Chemieindustrie kann ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wegen der deutschen Energiepreise kaum noch halten. BASF will daher im Stammwerk Ludwigshafen jede siebte Anlage schließen. Auch die Chemiesparte von Evonik ist betroffen, hier fallen von weltweit 33.000 Arbeitsplätzen 2.000 weg. Rationalisierungsdruck zwingt Banken zum Stellenabbau. So wird die Deutsche Bank schon im laufenden Jahr 2025 etwa 2.000 Stellen streichen und eine „signifikante“ Zahl ihrer Filialen schließen. Exakte Zahlen zu den Jobverlusten stammen aus dem Vorjahr (September 2024): So ging die Zahl der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe in jenem Monat um 81.000 zurück, was der höchste Stand des Jahres war. Bei der Zeitarbeit sank sie um 73.000. Der Höchststand war im Juni 2024 mit 76.000 Stellen erreicht worden.


Drei wesentliche Gründe für den schrumpfenden Arbeitsmarkt

Der Rückgang der Beschäftigungszahlen in Deutschland hat nahezu historische Dimensionen erreicht. Eine vergleichbare Jobkrise gab es zuletzt in den 1970er Jahren. Experten sehen dafür drei wesentliche Gründe:

Energiekosten: Die einheimischen Energiepreise sind im internationalen Vergleich viel zu hoch. Prof. Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim weist darauf hin, dass sie kaum kurzfristig sinken dürften. Subventionen würden lediglich die Symptome behandeln und daher den Unternehmen nur bedingt helfen.

Arbeitskosten: Nur in Belgien liegen die Arbeitskosten, zu denen auch Steuern und Sozialabgaben gehören, noch höher als in Deutschland. Prof. Heinemann hält die deutschen Arbeitskosten für „extrem hoch“. Dem steht keine (deutlich) höhere Leistung der Belegschaften gegenüber. Daher entlassen internationale Konzerne mit Standorten in Deutschland zuerst hierzulande die Beschäftigten, wenn das Geschäft kriselt.

Bürokratie: Für den Umfang der Bürokratie in einem Land gibt es Indikatoren. Diese zeigen auf, dass Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch reguliert wird. Betroffen sind davon sämtliche Teilnehmer am Arbeitsmarkt.

Diese Rahmenbedingungen und ein Mix aus Wettbewerbsdruck, Energiekrise und technologischem Wandel haben in den letzten Jahren zu sinkender Auftragslage, überproportional hohen Kosten, bürokratisch erschwertem Strukturwandel und dramatischen Überkapazitäten geführt. Schon seit zwei bis drei Jahren genügt die Auslastung deutscher Produktionsstätten nicht mehr, um die Beschäftigungszahlen zu halten oder gar auszubauen.

Die meisten deutschen Probleme sind hausgemacht. Dafür sprechen nackte Zahlen, denn die Weltwirtschaft wächst durchaus, während sich Deutschland inzwischen in einer ökonomischen Dauerkrise eingerichtet hat. Der Arbeitsmarktexperte Prof. Enzo Weber vom IAB Nürnberg weist auf die „dramatisch schwachen“ Stellenmeldungen, Investitionen und Gründungen hin, denen eine anschwellende Zahl von Insolvenzen gegenübersteht. Die künftige Bundesregierung muss dringend gegensteuern, so Prof. Weber. Einige positive Aspekte kann immerhin Holger Schäfer vom IW Köln erkennen. So wachsen durchaus die staatsnahen Sektoren wie die öffentliche Verwaltung sowie das Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen. Möglicherweise könne der allgemeine Arbeitsmarkt bei verbesserter Konjunktur diesem Trend folgen, so der Experte.

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