Japanisches Energiesparen: Regierung in Tokio erwägt Onlineabschaltungen von Privatgeräten

Weltweit müssen sich Regierungen mit der Energiekrise auseinandersetzen. Zwar ist Europa derzeit mehr betroffen als beispielsweise Nordamerika mit seiner eigenen Öl- und Gasförderung. Doch es gibt Länder unter anderem in Asien, die ebenfalls über wenig Rohstoffe verfügen und nun von den steigenden Weltmarktpreisen für Energieträger stark betroffen sind. Dazu gehört beispielsweise Japan. Die Regierung des Landes fordert die Einwohner schon länger zum Energiesparen auf. Nun denkt sie über weitergehende Schritte nach (heise, 17.11.2022).


Regelung der japanischen Stromnachfrage: Bitten reichen nicht mehr

Die japanische Regierung hatte bislang auf Motivation und Aufklärung zum Stromsparen gesetzt. Das hat wohl im vergangenen Sommer noch genügt. Familien und Gewerbebetriebe gingen umsichtig mit der Klimatisierung ihrer Räume um, es gab während einer Hitzewelle jedenfalls keine Stromausfälle. Für den kommenden Winter hingegen verlässt sich das japanische Wirtschaftsministerium nicht mehr allein auf die freiwillige Mitwirkung der Menschen. Auch ein japanischer Winter kann hart werden. Auf der Insel Hokkaido zum Beispiel mit ihrer Hauptstadt Sapporo fallen die Temperaturen durchaus auf -10 bis -20 °C und überschreiten während des kompletten Winters nur selten den Gefrierpunkt.

Aufruf zum Energiesparen hatte keinen Erfolg. Japan plant jetzt Abschaltungen per Fernzugriff auf einzelne Geräte
Aufruf zum Energiesparen hatte keinen Erfolg. Japan plant jetzt Abschaltungen per Fernzugriff auf einzelne Geräte

Sapporo feiert in jedem Winter ein Snow Festival, auch olympische Winterspiele fanden dort schon statt (1972). Es ist also zu erwarten, dass die Japaner im kommenden Winter wieder verstärkt ihre Elektroöfen anstellen, die dort überwiegend (neben Kerosinöfen) genutzt werden, und damit das Stromnetz an seine Belastungsgrenze bringen. Der Hintergrund: Die japanische Stromversorgung funktioniert zu 37 % mit Gaskraftwerken, zu 33 % mit Kohle, zu 6 % mit Öl, zu 5 % mit Kernkraft und nur zu 19 % mit regenerativen Energiequellen.

Kohle, Gas und Öl sind nun auf dem Weltmarkt sehr teuer geworden, es drohen sogar Versorgungslücken. Japan importiert diese Rohstoffe nahezu komplett. Die Regierung muss daher über Zwangsmaßnahmen zum Energiesparen nachdenken, und zwar im Winter wie auch im Sommer mit seinen gelegentlichen Hitzewellen. Daher sollen die japanischen Stromversorger in Zukunft bei einem Stromengpass in dem hochtechnisierten Land über das Internet häusliche Stromfresser wie Elektroöfen und Klimaanlagen herunterregeln können Diese Idee hat in den vergangenen Wochen ein Unterausschuss im japanischen Wirtschaftsministerium diskutiert, der für Energieeffizienz zuständig ist. Im November wurde ein diesbezüglicher konkreter Vorschlag vorgelegt. Nur einen Tag vorher hatte die Regierung an ihre Bevölkerung appelliert, im kommenden Winter Elektrizität zu sparen. Auch ein Belohnungssystem für Stromsparfüchse wurde eingeführt.

Ziele der Maßnahmen

Es geht bei den japanischen Direkteingriffen in den privaten Stromverbrauch allerdings nicht nur ums Energiesparen. Ein weiteres Ziel ist die Stabilisierung des Stromversorgungssystems. Seit der Anteil der erneuerbaren Energien in Japan vor allem durch Windkraft und Solarenergie gewachsen ist, sorgen sich die Versorger um die Netzstabilität, die ja bekanntlich bei diesen volatilen Energieformen wirklich ein Problem ist. Zwar hat der Ökostrom in Japan anders als in Deutschland noch längst nicht die 50-%-Marke am Strommix überschritten, doch die japanischen Techniker kennen die Entwicklung in anderen Ländern und antizipieren demzufolge schon die anstehenden Probleme.


Das Land will die erneuerbaren Energiequellen deutlich forcierter nutzen, zumal die Gasversorgung für die Kraftwerke zunehmend problematisch erscheint, seit die Weltmarktpreise explodiert sind. Der Weltmarkt wird sogar richtig eng: Gasversorgung ist seit 2022 nicht nur ein Preis-, sondern ein Versorgungsproblem. Japan bezieht Flüssiggas unter anderem aus den USA und Malaysia. Die japanischen Importe sind wenig diversifiziert und daher anfällig für einzelne Störungen, die es immer wieder gibt: In Malaysia unterbrachen jüngst Erdrutsche die Gasproduktion, in amerikanischen Flüssiggasanlagen waren Brände ausgebrochen. Wenn durch solche Ereignisse Lieferungen ausbleiben, kann Japan gar nicht schnell genug neues Gas auf dem Weltmarkt beschaffen. Sollten aber die erneuerbaren Energien künftig über die Hälfte des Strombedarfs decken, muss der Strombezug zu regeln sein, damit das Netz stabil läuft. Dies möchte die japanische Regierung nun auch mit Fernregelungen der Verbraucher erreichen.

Wie werden die Regelungen technisch realisiert?

Es gibt schon technische Lösungen der automatischen Regelung von elektrischen Verbrauchern in Abhängigkeit von der Netzfrequenz. Sollte Letztere schwanken, fahren beispielsweise japanische Klimaanlagen ihre Leistung automatisch herunter. Das Ministerium plant nun, diese technische Funktion flächendeckend durchzusetzen. Die zweite Möglichkeit ist die Onlineverbindung mit dem Energieversorger, die im Normalbetrieb unter anderem für die Verbrauchsmeldung sehr nützlich ist. Diese Verbindung kann dann für Zwangsregelungen von außen genutzt werden. Damit sollen japanische Stromversorger künftig Verbrauchsspitzen ausgleichen, um Stromausfälle zu vermeiden. Eine weitere Maßnahme wäre die sogenannte positive Nachfrageregelung: Wenn viel Strom aus Sonnen- und Windproduktion kommt, sollen die Ladevorgänge von Akkus automatisch und online forciert werden. So eine Idee wurde aus Deutschland bislang noch nicht bekannt.

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