Insolvenz eines Weltmarktführers: Mayer & Cie. schließt nach 120 Jahren

4. Dezember 2025: Das Traditionsunternehmen Mayer & Cie. aus dem baden-württembergischen Albstadt schließt seine Pforten für immer. Der Hersteller von Rundstrick- und Flechtmaschinen war der fernöstlichen Konkurrenz und dem Druck durch die neue Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump zuletzt nicht mehr gewachsen. Betroffen sind 270 Mitarbeiter, die in den nächsten Wochen ihre Kündigungen erhalten. (Mayer & Cie., 06.10.2025)


Betriebsschließung nach 120 Jahren

Das Familienunternehmen gab es seit 1905, sein Untergang ist ein schwerer Schlag nicht nur für die Inhaber und die Beschäftigten, sondern auch für die Region Albstadt. Mayer & Cie. repräsentiert eine Unternehmensgeschichte wie aus dem Bilderbuch: Am 08. Juli 1905 gründeten Johann Georg Conzelmann, dessen Söhne Karl und Jakob sowie die Mitunternehmer Jakob Schmid, Emil Schweikhofer, Johannes Neher und die Brüder Johannes und Johann Georg Mayer die „Vereinigten Mechanischen Werkstätten“. Ihre Produktion begann mit dem Vertrieb und der Reparatur von Nähmaschinen, Rundstühlen, Fahrrädern und Maschinenantrieben.

Nach 120 Jahren schließt der Maschinenbauer Mayer & Cie. endgültig. Billigkonkurrenz und US-Zölle kosten 270 Beschäftigte den Job.
Nach 120 Jahren schließt der Maschinenbauer Mayer & Cie. endgültig. Billigkonkurrenz und US-Zölle kosten 270 Beschäftigte den Job.
MarketingMCT, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Das Unternehmen überstand mit Mühen, Fleiß und Erfindergeist beide Weltkriege, schon ab 1919 konnte es zunächst ins europäische Ausland exportieren. Johannes Mayer wurde 1934 neuer Geschäftsführer und führte die Konstruktion und Herstellung von Rundstrickmaschinen ein, ab 1938 übernahm er zusammen mit seinem Sohn Emil alle Geschäftsanteile. Fortan firmierte die Fabrik unter Mayer & Cie. Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren von einer großen Aufbruchstimmung geprägt, mit vollen Auftragsbüchern wuchs der Umsatz in den Millionenbereich. Es folgten Niederlassungsgründungen in Übersee, Johannes Mayer – ein Pionier des deutschen Wirtschaftswunders – erhielt das Bundesverdienstkreuz.

Die nächsten drei Generationen der Familie machten das Unternehmen auf der Schwäbischen Alb zum Weltmarktführer für Flecht- und Rundstrickmaschinen. Textilhersteller auf der ganzen Welt schätzten die durchdachten, effizienten und präzisen Maschinen aus Deutschland: Zuletzt ging nahezu die komplette Produktion in den Export.

Wie konnte es zur Insolvenz kommen?

Die Insolvenz, die Mayer & Cie. am 23. September 2025 beantragen musste, hatte eine komplexe Vorgeschichte. Nachdem eine extreme finanzielle Schieflage entstanden war, suchte die Geschäftsleitung intensiv und auf internationaler Ebene nach einem Investor, der mit frischem Kapital die Firma hätte retten können. Diese Suche blieb leider ergebnislos. Vom Aus des Traditionsunternehmens zeigte sich auch der Stuttgarter VDMA (Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten) erschüttert. Martin ist Mucha derzeitiger Generalbevollmächtigter von Mayer & Cie. und Sanierungsexperte. Er schildert den Hintergrund für die Insolvenz auf diese Weise: „Für Textilmaschinen ist der Markt zuletzt auf der ganzen Welt extrem schwierig geworden. Bei den aktuellen Rahmenbedingungen musste Mayer & Cie. im Geschäftsjahr 2024 einen Umsatzeinbruch von rund 50 Prozent hinnehmen.“


Der baden-württembergische VDMA-Geschäftsführer Dietrich Birk ergänzt: „Vorrangig China stieg in den vergangenen Jahren vom vormaligen Zulieferer zum globalen Player auf. Die dortigen Unternehmen setzen die deutsche Industrie in verschiedenen Branchen unter größten Druck. Dieser entsteht durch ihre aggressive Preispolitik, die sie wiederum durch die massiven Subventionen des chinesischen Staates durchsetzen können.“ Hinzu kommt seit 2025 die Zollpolitik von Donald Trump, die sich besonders scharf gegen China richtet. Infolgedessen exportieren die chinesischen Hersteller um ein Vielfaches mehr als noch in den Vorjahren nach Europa. Für deutsche Unternehmen entstand dadurch eine brisante Melange aus ohnehin schon absurd niedrigen chinesischen Preisen, einer viel schärferen Konkurrenz und auch steigender chinesischer Qualität.

Damit nicht genug: Neben dem von Trump ausgelösten Handelskrieg bremst auch der Ukraine-Konflikt globale Investitionen. Nicht zuletzt ist die Türkei, aus der viele textile Endprodukte kommen, ein folgerichtiger Hauptabsatzmarkt für Textilmaschinen. Doch in diesem Land macht die Inflation allen Herstellern, so auch den Textilproduzenten, gehörig zu schaffen. Sie können nicht mehr so preisgünstig wie früher ihre Waren anbieten, weshalb sie mit Neuanschaffungen von Textilmaschinen zögern. Für die deutschen Maschinenbauer wie Mayer & Cie. sind zu allem Überfluss auch noch die Kosten gestiegen. Diese Faktoren machten in ihrer Summe das Geschäft der einstigen Vorzeigefirma zu einem Verlustbringer.

Was haben die Beschäftigten von Mayer & Cie. zu erwarten?

Es gibt einen Zeitplan für die anstehenden Kündigungen. Sie werden sämtliche der 270 Mitarbeiter betreffen. Der Großteil von ihnen wird ab sofort bis zum Februar 2026 bei voller Gehaltszahlung freigestellt, dann enden die Arbeitsverträge. Eine kleine Gruppe wird die Endabwicklung übernehmen. Das Unternehmen hat noch wenige offene Aufträge, die erfüllt werden. Ganz zum Schluss wird es seine Restware, die Maschinen und das Firmengelände samt Immobilien verkaufen. Damit endet die stolze Geschichte eines Familienunternehmens, das glatt 120 Jahre lang bestanden hatte.

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