Industrie pocht auf mehr Investitionen – Scholz verspricht „viel mehr Tempo“

Die deutsche Wirtschaft poocht angesichts der Konjunkturschwäche auf mehr öffentliche Investitionen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, verteidigte am Montag dennoch die Schuldenbremse und forderte stattdessen „unbequeme und schmerzhafte“ Schritte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warb beim Tag der Industrie in Berlin für die bisherige Bilanz seiner Regierung und versprach nach vorne blickend „viel mehr Tempo“.


Der BDI hatte vor knapp zwei Wochen Berechnungen vorgelegt, wonach in den derzeitigen Haushaltsplanungen öffentliche Investitionen in Höhe von 400 Milliarden Euro insbesondere für Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur über die kommenden zehn Jahre fehlen. Um diese Lücke zu schließen, seien auch schuldenfinanzierte Sondervermögen denkbar, erklärte der Verband. Russwurm bekräftigte dies und sprach von „präzise zweckgebundenen und zeitlich klar definierten Kreditpaketen“.

BDI fordert schmerzhafte Reformen und Investitionen: Scholz verspricht mehr Tempo und Pragmatismus zur Rettung der deutschen Wirtschaft
Bild: RALF HIRSCHBERGER / AFP

„Wir fordern nicht neue Mehrausgaben des Staates“, präzisierte Russwurm. Der BDI sei gegen eine Lockerung der Schuldenbremse. Stattdessen brauche es strukturelle Reformen, eine digitale Verwaltung und „den Mut zu unbequemen und schmerzhaften Entscheidungen“ bei der Priorisierung der Haushaltsmittel. Nur dann noch bleibende Lücken könnten laut Russwurm schuldenfinanziert geschlossen werden.

An welcher Stelle genau er den Rotstift ansetzen würde – ob bei der Rente oder etwa dem Bürgergeld – präzisierte der BDI-Chef nicht. Es müssten „alle staatlichen Leistungen“ darauf geprüft werden, ob Deutschland sie sich noch leisten könne. „Und es tut dann weh, klar“, sagte lediglich. Aber „die Diskussion, die wird zu wenig geführt“.

Die Verhandlungen in der Bundesregierung über den Staatshaushalt für das kommende Jahr gehen derzeit in die entscheidende Phase. Das Bundeskabinett will den Etatplan am 3. Juli verabschieden. Die FDP und ihr Bundesfinanzminister Christian Lindner pochen auf ein striktes Einhalten der Schuldenbremse und fordern einen harten Sparkurs mit Einschnitten insbesondere im Sozialbereich.

Der Weg aus der wirtschaftlichen Stagnation führe „nicht über ein schuldenfinanziertes Sondervermögen, sondern über eine radikale Wachstumsagenda“, sagte am Montag der FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. Er forderte oberste Priorität für „Steuersenkungen, Bürokratieabbau und der Kampf gegen den Fachkräftemangel“ sowie neue Freihandelsabkommen.


„Handelsabkommen müssen auf der Agenda ganz nach oben“, forderte auch Russwurm. Er kritisierte die Idee, europäische Werte „in anderen Ländern durch wirtschaftlichen Druck durchzusetzen“, als „gelinde gesagt naiv“. Bei Freihandelsabkommen müsse gelten: „Pragmatismus vor Idealismus.“

Auch Scholz mahnte mehr Pragmatismus an. „Wenn wir dann Freihandelsverträge haben, in denen nicht alles steht, was man sich darin wünschen könnte, aber die dann schnell geschlossen werden, dann haben wir alle einen Gewinn davon“, sagte der Kanzler. Er kündigte an, er werde sich „gegenüber der neuen EU-Kommission mit Nachdruck für mehr und bessere Freihandelsverträge einsetzen“. Freihandel sei eine der Grundlagen des Wohlstands in Deutschland und in Europa.

Beim Thema Investitionen stimmte der Kanzler dem BDI-Chef ebenfalls zu: „Wir brauchen hohe Investitionen, denn wir haben unsere Infrastruktur ja, wie schon gesagt, zu lange auf Verschleiß gefahren“, sagte Scholz. „Dafür zahlen wir heute doppelt und dreifach mit Zugverspätung, zum Beispiel, mit Brückensperrungen und maroden öffentlichen Gebäuden.“ Dazu, wo das Geld herkommen soll, äußerte er sich nicht.

AFP

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