Spätestens seit der Fridays for Future Bewegung ist die Energiewende in aller Munde. Auch und gerade durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene Diskussion um die Abhängigkeit von Russland drängt diese immer weiter in den Fokus. Schon im Koalitionsvertrag stellt diese einen wichtigen Baustein dar und hat vor allem bei den Grünen Priorität. Nicht zuletzt konnten sie durch dieses Versprechen in die Regierung gelangen.
Doch die Fachverbände warnen vor übereiltem, planlosem Handeln. Denn zur Umsetzung der Energiewende bedarf es nicht nur ausreichend finanzieller Mittel und Rohstoffe, sondern auch der entsprechenden Fachkräfte. Insbesondere gäbe es gemäß den Verbänden deutschlandweit nicht genügend ausgebildete und verfügbare Fachkräfte für die Energiewende.
Hat Deutschland also genug Fachkräfte für die Energiewende?
Die Antwort lautet: Nein, aktuell nicht. Aber es ist durchaus machbar, wenn planvoll vorgegangen wird und jetzt schon in die Zukunft investiert wird.
Den Fachkräftemangel prangert vor allem der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) an. Denn für den Ausbau von Solarenergie braucht es die Arbeit von entsprechenden Handwerkern mit spezieller Ausbildung. Hierfür forder der ZVEH von den Politikern Unterstützung. Aktuell gäbe es ca. 520.000 E-Handwerker in Deutschland. Diese seien für die Energiewende jedoch nicht ausreichend. Bereits jetzt bestehe ein Mangel von ca. 10 Prozent. Wenn die Kapazitäten für den Ausbau der erneuerbaren Energien hochgefahren werden sollen, dann ist mit einem Vorlauf von zwei bis drei Jahren zu rechnen. Grundsätzlich hält der Verband dies für möglich, jedoch nicht aus eigener Kraft der Unternehmen allein. Hier bedürfe es wesentlich mehr zusätzlicher Maßnahmen durch die Politik bereits jetzt, damit man dadurch in zwei bis drei Jahren bereit sei. Denn so lange dauert die Qualifizierung von Fachkräften in jedem Fall.
Um Regierungsziel zu erreichen ist die Installation von 21.000 Solarmodulen pro Stunde erforderlich
Auch der Blick auf die deutschlandweiten Zahlen zeigt, dass die Pläne der Ampel-Koalition sehr ambitioniert sind. Die Regierung will laut Koalitionsvertrag bis zum Jahr 2030 neue Solarstrom-Kapazitäten in Höhe von 146 Gigawatt schaffen. Wenn man dies herunterbricht, heißt das laut Experten, dass innerhalb von 9 Jahren pro Stunde die Installation von 21.000 Solarmodulen erfolgen muss. Das bedeutet eine immense Steigerung der aktuellen Leistung. Bereits in den Jahren, in denen der bislang größte Ausbau stattgefunden hat (2010 bis 2012) hat man nur ein Drittel dieser Kapazitäten erreicht.
Hier muss strategisch klug vorgegangen werden. Den ein großes Ziel allein reicht nicht aus, wenn man keinen konkreten Plan zur Umsetzung hat. Grundsätzlich steht der Bundesverband der Solarwirtschaft den Zielen optimistisch gegenüber. Dieser erklärt, dass bei seinen Mitgliedsunternehmen die Kapazitäten grundsätzlich erweiterbar wären. Es braucht jedoch entsprechend konkrete Maßnahmen und Finanzierungen.
Handwerk sucht händeringend Fachkräfte
Das Handwerk allgemein leidet unter Fachkräftemangel. Es ist eine der größten Aufgaben unserer Zeit, junge Menschen wieder für das Handwerk zu begeistern. Dies ist nicht zuletzt ein strukturelles Problem. Denn sowohl was Einkommen als auch Anerkennung angeht, steht der Handwerksberuf nicht gerade an der Spitze. Begabte junge Menschen streben immer häufiger nach einer akademischen Ausbildung, da nur diese sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze bei guter Vereinbarkeit von Familie und Beruf verspricht. Aber auch im Handwerk braucht es kluge Köpfe. Diese für eine Ausbildung zu gewinnen, stellt eine der großen Herausforderungen neben der aktuell drohenden Rohstoffknappheit und den Lieferwegen sowie den Platzkapazitäten für Solaranlagen dar.
Damit die ambitionierten Ziele der Energiewende im gesteckten Zeitrahmen erreicht werden können, muss also bereits jetzt mit der Anwerbung und Ausbildung von Fachkräften und der Erweiterung der Kapazitäten begonnen werden. Dafür braucht es konkrete und effektive Maßnahmen der Politik, die derzeit noch nicht absehbar sind.