Hamburg rechnet Klimabilanz mit Öfen in Afrika schön, die es nie gegeben hat

Hamburgs Klimabilanz steht im Zentrum eines politischen Vorgangs, der weit über ein einzelnes Projekt hinausgeht. Über Jahre verbesserte die Stadt ihre CO₂-Werte mithilfe von CO₂-Kompensation und Emissionszertifikaten aus Afrika, obwohl die dafür finanzierten Öfen vor Ort nicht existierten. Während auf dem Papier messbare Einsparungen ausgewiesen wurden, fehlte in Nigeria die angekündigte Infrastruktur. Genau diese Diskrepanz zwischen Buchung und Realität zwingt Hamburg nun zu einem grundlegenden Kurswechsel (welt: 18.12.25).


Hamburgs Klimabilanz und die fragwürdige Logik der Kompensation

Um ambitionierte Klimaziele zu erreichen, setzte Hamburg lange auf Emissionsausgleich über Projekte im Ausland. Über die Organisation Atmosfair finanzierte die Stadt ein Klimaschutzprojekt in Afrika, das effiziente Kochöfen in Nigeria und Indien versprach. Weniger Holzverbrauch sollte dort die Emissionen senken, während sich Hamburg die Emissionszertifikate auf die Klimabilanz anrechnete. Formal erfüllte die Stadt so ihre Ziele, jedoch blieb die reale Wirkung unklar.

Hamburgs Klimabilanz stützte sich auf CO₂-Einsparungen durch Öfen in Afrika, die vor Ort gar nicht existierten
Hamburgs Klimabilanz stützte sich auf CO₂-Einsparungen durch Öfen in Afrika, die vor Ort gar nicht existierten

Zwischen 2018 und 2020 kaufte Hamburg Zertifikate im Wert von mehr als einer Million Euro. Dadurch wurden rund 75.000 Tonnen CO₂ als eingespart verbucht. Politisch galt das als Erfolg, zudem verwies der Senat auf nachhaltige Entwicklungshilfe. Gleichzeitig betonte die Umweltbehörde, ausschließlich geprüfte Emissionszertifikate verwendet zu haben. Hamburgs CO₂-Bilanz wirkte dadurch stabil, obwohl sie stark von externen Gutschriften abhing.

Emissionszertifikate ohne sichtbare Maßnahmen

Vor Ort zeigte sich jedoch ein anderes Bild. In nigerianischen Regionen, in denen moderne Öfen installiert worden sein sollten, dominierten weiterhin offene Feuerstellen. Neue Anlagen fehlten. Trotzdem floss die rechnerische Einsparung in Hamburgs Klimabilanz ein, weil vertraglich keine feste Ofenzahl, sondern lediglich eine Emissionsminderung vereinbart war. Die Umweltbehörde verwies auf ex-post geprüfte Emissionszertifikate, die von UN-Stellen bestätigt worden seien.

Der Rechnungshof Hamburg stellte hingegen fest, dass im relevanten Zeitraum keine zusätzlichen Öfen installiert worden waren. Ein Prüfbericht beanstandete die Projektumsetzung deutlich. Atmosfair erklärte später, die Zertifikate stammten aus bereits produzierten Anlagen. Hamburgs Geld habe erst nachträglich neue Öfen ermöglicht. Damit beruhte die CO₂-Kompensation nicht auf Maßnahmen, die unmittelbar durch Hamburger Mittel ausgelöst wurden.

Rechnungshof Hamburg legt strukturelle Defizite offen

Die Kritik des Rechnungshof Hamburg ging weit über Einzelfragen hinaus. Beanstandet wurden fehlende Nachweise zur Mittelverwendung, mangelhafte Kontrolle und unklare Zuständigkeiten. Auch die Vergabe des Projekts erfolgte ohne öffentliche Ausschreibung. Eine rechtliche Grundlage fehlte. Dennoch wurden Verträge geschlossen und nicht veröffentlicht. Der Landesrechnungshof sprach von erheblichen Verstößen gegen geltende Verwaltungsvorschriften.

Zusätzlich blieb offen, warum sich die Zahl der angekündigten Öfen mehrfach änderte. Zunächst war von 12.000 die Rede, später von 15.000. Ob das Klimaschutzprojekt in Afrika ausgeweitet wurde, um geringere Einsparungen auszugleichen, ließ sich nicht klären. Auch das parallel geplante Projekt in Indien scheiterte vollständig, weshalb zusätzliche Emissionszertifikate aus Nigeria angerechnet wurden.


Politische Folgen für Hamburgs Klimabilanz

Die Debatte gewann politische Sprengkraft, weil die Einsparungen tausende Kilometer entfernt stattfanden. Hamburg konnte eigene Anstrengungen reduzieren, während Hamburgs Klimabilanz rechnerisch besser aussah. Kritiker sprachen von modernem Ablasshandel. Ohne die Prüfungen des Rechnungshof Hamburg wäre der Vorgang wohl nicht öffentlich geworden.

Umweltsenatorin Katharina Fegebank zog schließlich Konsequenzen. „Ich habe entschieden, dass im Rahmen der Kompensation von CO₂-Emissionen aus Flugreisen der Freien und Hansestadt Hamburg zukünftig nur noch zusätzliche Klimaschutzprojekte bei uns in Hamburg unterstützt werden.“ Damit beendet die Stadt die CO₂-Kompensation über internationale Projekte. Hamburgs CO₂-Bilanz soll künftig auf überprüfbaren Maßnahmen vor Ort beruhen.

Lokaler Klimaschutz statt internationaler Buchungstricks

Ein erster Schritt ist bereits erfolgt. Mittel aus der bisherigen CO₂-Kompensation flossen in zusätzliche Baumpflanzungen innerhalb Hamburgs. Der Fokus liegt nun auf direktem Nutzen, klarer Kontrolle und messbarer Wirkung. Die Erfahrungen aus dem afrikanischen Projekt zeigen, wie anfällig komplexe Konstruktionen mit Emissionszertifikaten sind. Für Hamburgs Klimabilanz bedeutet dieser Schritt einen Neuanfang, der verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen soll.

Lesen Sie auch:

Nach oben scrollen