Mehr als ein Jahrhundert lang galt die Reifenproduktion in Fulda als Symbol industrieller Stärke. Doch am 30. September schaltet Goodyear die Maschinen endgültig ab. Rund 1.050 Arbeitsplätze fallen mit der Standortschließung weg, ein Schock für die Stadt und die Region. Die Industriekrise trifft damit ein Herzstück der osthessischen Wirtschaft.
Ein schwerer Einschnitt für Fulda
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie spricht von einem gravierenden Bruch. Bezirksleiterin Anne Weinschenk betont, dass der Verlust so vieler Arbeitsplätze binnen kurzer Zeit dramatische Folgen habe. Familien, Zulieferer und die Stadt seien gleichermaßen betroffen. Besonders in einer Stadt wie Fulda, in der industrielle Tradition fest verankert ist, markiert die Standortschließung einen historischen Wendepunkt.

In den Hallen selbst herrschte in den letzten Tagen eine bedrückende Stimmung. Beschäftigte beschrieben das Klima als „Totengräberstimmung“. Leere Werkshallen, in denen einst über tausend Menschen tätig waren, hinterließen ein Gefühl von Trauer. Viele Mitarbeiter blickten wehmütig auf ihre jahrzehntelange Tätigkeit zurück, während Unsicherheit über die berufliche Zukunft überhandnahm.
Ursachen und Folgen bei Goodyear
Offiziell führt Goodyear die Entscheidung auf Überkapazitäten in Europa und steigenden Kostendruck zurück. Diese Begründung reiht sich in eine Serie einschneidender Maßnahmen ein. Bereits 2019 hatte der Konzern in Hanau rund 600 Stellen gestrichen. Nun trifft es Fulda – und perspektivisch auch das brandenburgische Fürstenwalde. Dort läuft die Reifenproduktion bis Ende 2027 schrittweise aus.
Damit verfolgt der Konzern eine klare Linie: Konzentration auf profitablere Standorte und Abbau schwächerer Werke. Für die Regionen bedeutet dies tiefe wirtschaftliche Einschnitte. Besonders mittelständische Zulieferer müssen mit sinkenden Aufträgen rechnen, was weitere Arbeitsplätze gefährdet und die Industriekrise verschärft.
Sozialplan und Transfergesellschaft
Die Gewerkschaft IGBCE und der Betriebsrat handelten nach Bekanntgabe der Standortschließung einen Sozialplan aus. Ziel war es, Härten abzufedern und neue Perspektiven zu schaffen. Viele Beschäftigte wechselten in eine Transfergesellschaft, die Unterstützung bei Qualifizierung und Stellensuche bietet.
Weinschenk bewertet diesen Schritt als Erfolg, auch wenn er den Verlust nicht kompensieren kann. Sie hebt hervor, dass Solidarität und Verhandlungskraft entscheidend seien, um die Folgen abzumildern. Dennoch bleibe die Region von der Industriekrise stark betroffen.
Unsicherheit bleibt
Unternehmenssprecher Stephan Ester betonte lediglich, man strebe „faire Lösungen“ in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern an. Konkrete Aussagen zur langfristigen Zukunft der Mitarbeiter fehlten jedoch. Diese Zurückhaltung verstärkte das Gefühl von Unsicherheit bei vielen Betroffenen.
Gerade in Fulda, wo die Reifenproduktion über Generationen prägend war, trifft die Standortschließung besonders hart. Zahlreiche Mitarbeiter hatten gehofft, noch viele Jahre für Goodyear tätig zu sein. Stattdessen endet ein Kapitel, das eng mit der Stadtgeschichte verbunden war.
Ein historisches Kapitel endet
Mit der Stilllegung des traditionsreichen Werks schließt sich ein Stück regionaler Identität. Über 125 Jahre lang stand das Unternehmen für industrielle Stärke und soziale Stabilität. Das Werk war für viele Familien mehr als ein Arbeitsplatz – es war Teil ihrer Lebensgeschichte.
Nun bleibt eine Lücke, die schwer zu schließen ist. Zwar bemühen sich Gewerkschaft, Politik und Konzern um Lösungen, doch der Einschnitt reicht tief. Für Fulda bedeutet das Ende der Reifenproduktion ein historisches Kapitel, das die Industriekrise in Deutschland sichtbar macht.
Lesen Sie auch: