Geothermie: Risiken, Schäden und gescheiterte Projekte in Deutschland

Die Nutzung von Erdwärme gilt als klimafreundliche Lösung für die Wärmeversorgung von Wohngebäuden. Tiefengeothermie und oberflächennahe Bohrungen sollen helfen, fossile Brennstoffe zu ersetzen – auch im privaten Wohnungsbau. Bund und Länder setzen dabei zunehmend auf die Geothermie als strategische Säule der Wärmewende und unterstützen entsprechende Projekte finanziell. So hat etwa Nordrhein-Westfalen die Förderung von Geothermie-Projekten erst kürzlich deutlich ausgeweitet (solarserver: 03.04.25). Doch trotz politischer Rückenwinde treten in der Praxis immer wieder Probleme auf. Diese reichen von irreparablen Gebäudeschäden bis zu hin zu nicht anerkannten Versicherungsfällen bei extrem hohen Schadenssummen. In mehreren Fällen blieben Bauherren und Kommunen auf hohen Kosten sitzen.


Bodenschäden durch geothermische Hebungen

Eines der bekanntesten Negativbeispiele betrifft die Stadt Staufen im Breisgau. Dort wurde 2007 eine oberflächennahe Geothermieanlage zur Wärmeversorgung eines Rathauses errichtet. Die Bohrungen drangen dabei versehentlich in anhydritführende Gesteinsschichten ein. Anhydrit verwandelt sich bei Wasserkontakt in Gips – und dehnt sich dabei aus. Die Folge: der Untergrund hob sich, zahlreiche Wohnhäuser rissen auf, Böden wölbten sich, ganze Straßenzüge wurden instabil. Mehr als 270 Gebäude sind bis heute betroffen.

Geothermie birgt trotz staatlicher Förderung Risiken wie Gebäudeschäden, Versicherungsstreitigkeiten und Projektabbrüche
Geothermie birgt trotz staatlicher Förderung Risiken wie Gebäudeschäden, Versicherungsstreitigkeiten und Projektabbrüche

Auch in Böblingen kam es nach geothermischen Bohrungen für Wohnprojekte zu Rissbildungen in rund 80 Häusern. Die Ursache war auf ein ähnliches geologisches Verhalten zurückzuführen. Obwohl die exakte Verantwortung noch juristisch geklärt ist, zeigt der Fall, wie schnell die geologische Realität unterschätzt werden kann.

Erschütterungen und Grundwasserprobleme

In einigen Regionen wurde der private oder kommunale Einsatz von Tiefengeothermie auch mit seismischen Aktivitäten in Verbindung gebracht. In Poing bei München registrierten Anwohner nach der Inbetriebnahme einer Anlage leichte Erdbeben – ausgelöst durch Wasserverpressung in tiefen Gesteinsschichten. Auch in Brühl bei Mannheim zeigten sich nach einer Probebohrung seismische Mikroereignisse, woraufhin das Projekt abgebrochen wurde.

Zusätzlich kann der Eingriff in das Erdreich Auswirkungen auf das Grundwasser haben. Im pfälzischen Landau trat bei einem defekten Bohrloch Thermalwasser aus, wodurch salzhaltige und teils metallbelastete Flüssigkeiten in die oberen Schichten gelangten. Auch für den Wohnungsbau kann dies kritisch werden, wenn Grundstücke in Trinkwasserschutzgebieten liegen oder Altlasten mobilisiert werden.

Versicherungsproblematik bei Gebäudeschäden

Ein oft unterschätztes Risiko betrifft die Absicherung gegen Schäden. Bauherren und Eigentümer gehen häufig davon aus, dass bestehende Gebäudeversicherungen greifen. Doch viele Policen schließen geologische Hebungen explizit aus oder verlangen teure Zusatzversicherungen. Selbst dort, wo Versicherungsschutz bestand, wie im Fall Staufen, haben die Versicherungen Entschädigungen über Jahre hinausgezögert. Grund: Die Kausalität zwischen Bohrung und Schaden ist schwer beweisbar.

Auch im Bereich der Haftpflichtversicherung der ausführenden Unternehmen gibt es Lücken. Wenn der Projektentwickler insolvent ist oder nicht ausreichend versichert war, bleiben Betroffene auf den Kosten sitzen. Gerade im Einfamilienhausbau ist das ein unkalkulierbares Risiko, das durch schlechte Aufklärung oft übersehen wird.


Wenn Geothermie-Projekte scheitern: finanzielle Folgen für Eigentümer und Kommunen

Nicht nur Schäden, sondern auch unvollendete oder wirtschaftlich gescheiterte Projekte stellen ein Problem dar. In Traunreut (Bayern) musste ein kommunales Geothermieprojekt zur Wohnwärmeversorgung wegen technischer Komplikationen abgebrochen werden. Die Trägergesellschaft meldete Insolvenz an – die Bohrungen waren wertlos, die geplante Nutzung fiel aus, die Kosten blieben an der Stadt hängen.

Auch private Projekte in Speyer oder Brühl wurden gestoppt oder aus Kostengründen nicht weiterverfolgt. Gerade bei Neubaugebieten oder größeren Wohnanlagen kann das enorme finanzielle Folgen haben – etwa wenn Wärmekonzepte kurzfristig umgestellt werden müssen oder bereits verlegte Leitungen unbrauchbar sind.

Erdwärme mit Augenmaß nutzen

Die Erschließung geothermischer Energie zur Wohnraumbeheizung bietet große ökologische Vorteile – ist aber keineswegs risikofrei. Gerade im sensiblen Bereich der Wohnbebauung müssen Planung, Genehmigung und Bauausführung höchsten Standards genügen. Eine geologische Voruntersuchung allein reicht nicht aus. Vielmehr braucht es auch rechtliche Sicherheit, klare Versicherungsregelungen und umfassende Aufklärung über mögliche Folgen.

Solange Schäden an Wohnhäusern nicht zuverlässig abgesichert und technische Risiken nicht vollständig eingegrenzt sind, sollte Geothermie im Wohnbau mit besonderer Vorsicht betrachtet werden. Die Politik ist gefordert, verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen – bevor aus der grünen Hoffnung ein teurer Bauschaden wird.

Lesen Sie auch:

Zuletzt aktualisiert am Januar 14, 2025 um 21:39 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
Zuletzt aktualisiert am Januar 21, 2025 um 14:27 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
Nach oben scrollen