Deutschlands Stromversorgung steuert auf eine gefährliche Stromlücke zu. Laut PwC könnte ab 2035 in tausenden Stunden Strom im Umfang ganzer Kraftwerksparks fehlen. Der schleppende Ausbau neuer Gaskraftwerke und fehlende Investitionen verschärfen die Lage. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche steht unter Druck, entschlossen gegenzusteuern (handelsblatt: 26.06.25).
Stromlücke rückt näher – Nachfrage steigt, Kapazitäten fehlen
Die PwC-Studie entwirft zwei Szenarien. Im pessimistischen „Schock-Szenario“ droht ab 2035 ein Versorgungsdefizit in mehr als der Hälfte aller Stunden. 2040 fehlen an über 5000 Stunden pro Jahr mehr als 25 Gigawatt Strom – das entspricht der Leistung von etwa 50 Großkraftwerken. Trotz politischer Pläne stockt der Neubau. Reiche plant kurzfristig nur fünf bis zehn Gigawatt. Das dürfte nicht reichen, um die Stromlücke zu schließen.

Auch das Basisszenario fällt kritisch aus. Selbst hier entsteht bei hoher Nachfrage und schwachem Ausbau eine Unterversorgung. Der langfristige Bedarf wächst durch E-Autos und Wärmepumpen – bei gleichzeitig sinkenden Investitionen in gesicherte Erzeugungskapazitäten.
Engpässe bei Technik und Investitionen verschärfen die Stromlücke
Ein weiteres Problem liegt in der begrenzten Verfügbarkeit technischer Komponenten. Marcus Schenck von Lazard warnt: „Hersteller von Gasturbinen sind teilweise schon bis ans Ende der Dekade ausgebucht.“ Der Wettbewerb um Anlagen nimmt weltweit zu – Bestellungen aus Deutschland fehlen bislang.
Hinzu kommt: Der Ausbau erneuerbarer Energien verliert an wirtschaftlicher Attraktivität. Sinkende Strompreise bei starkem Wind und viel Sonne machen viele Projekte unrentabel. PwC warnt: Investitionen in Wind und Solar könnten bald versiegen, wenn sich die Marktlage nicht verbessert.
Speicher allein stabilisieren die Lage nicht
Zwar entstehen derzeit neue Stromspeicher. Schenck sieht darin einen positiven Trend, der den Druck auf den Gaskraftwerkszubau mindern könnte. Auch beim Repowering alter Windanlagen bleibt laut Lazard Interesse bestehen. Doch eine Studie von THEMA Consulting zeigt: Selbst ein flächendeckender Speicherzubau verhindert nicht, dass in bestimmten Stunden Strom keinen Marktwert besitzt.
Betreiber von Anlagen verlieren Einnahmen, wenn Strom im Überfluss vorhanden ist. Ohne gezielte Marktanreize droht eine strukturelle Schieflage im gesamten System. PwC spricht bereits von einem „komplexen Marktversagen“.
Entscheidung über Energiesicherheit fällt in den nächsten Jahren
Die Studien zeigen: Ohne schnelle Gegenmaßnahmen droht dem Industrieland Deutschland eine chronische Stromlücke. Das betrifft nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern auch den Wirtschaftsstandort. Fehlende Preissignale, zurückhaltende Investoren und politische Verzögerungen gefährden die Energiewende.
Reiche steht vor der Aufgabe, Investitionen in gesicherte Kraftwerksleistung wieder attraktiv zu machen – bevor ab 2035 die Versorgung kollabiert.
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