Führende Politiker des Rassemblement National planen, Frankreichs Strommarkt vom Rest Europas abzukoppeln und einen eigenen, nationalen Strompreis einzuführen. Experten warnen vor erheblichen Risiken.
Anstatt auf Wind, Solar und Wasserstoff zu setzen, favorisieren die französischen Rechten Atomkraft, Wasserkraft und Erdgas. Sie streben ein eigenständiges Stromnetz an, das sich von den europäischen Handelsstrukturen löst. Eric Ciotti, Vorsitzender der konservativen Les Républicains, äußerte kürzlich: „Frankreich muss aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen, um eine autonome Stromproduktion und günstigere Strompreise zu gewährleisten.“ Auch Jordan Bardella vom rechtsextremen Rassemblement National unterstützt diese Idee, einen „französischen Strompreis“ einzuführen. (Handelsblatt, 28.06.2024)
Risiken der Abkopplung
Catherine MacGregor, Chefin des französischen Energieversorgers Engie, warnte in „La Tribune“ vor den Folgen: „Ohne einen europäischen Strommarkt setzen wir uns stärkeren Preisschwankungen und dem Risiko von Stromausfällen aus.“ Die Wiedereinführung von Energiebarrieren könnte die Versorgungssicherheit gefährden und die Preise erhöhen. Das europäische Verbundnetz ermöglicht es den Ländern, Strom je nach Bedarf und Marktpreisen untereinander zu handeln. Frankreich profitierte besonders während der Energiekrise davon, als es dank europäischer Nachbarn Strom importierte, um den Winter zu überstehen.
Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme erklärte, dass Frankreich ohne europäische Stromlieferungen im Winter 2022 mit Stromabschaltungen hätte rechnen müssen. Damals führten Probleme an Atomkraftwerken dazu, dass Frankreich große Mengen Strom importieren musste. Auch heute ist das Land in Spitzenzeiten auf Importe angewiesen.
Strompreise und erneuerbare Energien
In der EU basiert der Strompreis auf dem Merit-Order-Prinzip. Die günstigsten Kraftwerke werden bevorzugt, aber der Marktpreis orientiert sich an den Betriebskosten des teuersten noch benötigten Kraftwerks. Frankreichs Politiker kritisieren dies regelmäßig, auch Emmanuel Macron. Sie argumentieren, dass Frankreich dank seiner Atomkraft ohne den europäischen Binnenmarkt niedrigere Strompreise hätte. Aktuell liegen die Preise im französischen Stromgroßhandel jedoch unter den deutschen Preisen, was vor allem an internen Faktoren liegt.
Der steigende Anteil erneuerbarer Energien bereitet Frankreich aufgrund fehlender Speichermöglichkeiten Probleme. An Wochenenden mit viel Solar- und Windstrom muss Atomkraft gedrosselt werden, da sie nicht flexibel betrieben werden kann. Zudem sind die Exportkapazitäten aufgrund technischer Einschränkungen begrenzt, was zu niedrigen Strompreisen führt. Dies beeinträchtigt die Rentabilität der Atomkraftwerke.
Zukunft der französischen Energieversorgung
Die rechten Parteien fordern, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu stoppen und stattdessen 20 neue Atomkraftwerke zu bauen. Doch Engie-Chefin MacGregor betont, dass erneuerbare Energien in den vergangenen Jahrzehnten geholfen haben, Frankreichs Energierechnung um 40 Milliarden Euro zu senken. Solar- und Windkraft sind mittlerweile die günstigsten Energiequellen weltweit.
Ohne europäische Unterstützung steht Frankreich vor der Herausforderung, sein Energiesystem zu stabilisieren und gleichzeitig wirtschaftlich rentabel zu gestalten. Die Vorschläge der Rechten bergen das Risiko, die Fortschritte der letzten Jahre zu gefährden und die Versorgungssicherheit zu beeinträchtigen.
Insgesamt zeigt sich, dass eine Abkopplung vom europäischen Strommarkt und die Konzentration auf Atomkraft und fossile Energien nicht die gewünschten Vorteile bringen könnte. Stattdessen wäre eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb Europas und der weitere Ausbau erneuerbarer Energien sinnvoller, um langfristig stabile und günstige Strompreise zu gewährleisten.
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