Der Landkreis Starnberg gilt als Inbegriff von Wohlstand, doch die Finanzlage erzählt eine andere Geschichte. Steigende Schulden, wachsende Ausgaben und begrenzte Einnahmen bringen den Kreis zunehmend in Bedrängnis. Der Schuldenstand nähert sich der Marke von 100 Millionen Euro, könnte sich kurzfristig verdoppeln und langfristig sogar auf bis zu 280 Millionen Euro anwachsen. Trotz hoher Kaufkraft, vieler Spitzenverdiener und einer starken Lebensqualität fehlt es dem Landkreis Starnberg an finanziellen Spielräumen, weil strukturelle Probleme im kommunalen Finanzierungssystem immer deutlicher werden.
Landkreis Starnberg unter finanziellem Dauerstress
Landrat Stefan Frey spricht ungewöhnlich offen über die Lage, denn die Dynamik bereitet selbst erfahrenen Kreisräten Sorge. Mehrere Mandatsträger bewerten die Entwicklung als kritisch, ein CSU-Kreisrat sprach sogar von einer „Zeitenwende“. Diese Einschätzung verweist auf eine wachsende Haushaltskrise, die nicht durch kurzfristige Einsparungen zu lösen ist. Der Landkreis Starnberg übernimmt Aufgaben, die eigentlich stärker durch Bund oder Land getragen werden müssten, was die kommunalen Finanzen dauerhaft belastet.

Ein zentraler Kostentreiber ist der kommunale Klinikverbund. Die Standorte in Starnberg, Herrsching, Seefeld sowie im benachbarten Penzberg sichern eine hochwertige medizinische Versorgung, verursachen jedoch regelmäßig Defizite. Jährlich gleicht der Kreis mehr als 35 Millionen Euro aus. Frey verweist darauf, dass rund 30.000 Menschen pro Jahr stationär behandelt werden. „Wenn diese Häuser nicht mehr wären, müssten diese Patienten nach München fahren“, erklärt er, und macht deutlich, dass selbst große Kliniken diese Menge kaum bewältigen könnten.
Öffentlicher Nahverkehr und Infrastruktur als Kostenfaktor
Neben der medizinischen Versorgung belastet der öffentliche Nahverkehr den Kreishaushalt erheblich. Für das Busnetz sind im kommenden Jahr rund 14,6 Millionen Euro eingeplant. In wirtschaftlich besseren Zeiten wurde das Angebot bewusst ausgebaut, weil Mobilität als Standortfaktor galt. Heute betreibt der Kreis 41 Linien, zudem existiert eine Expressverbindung bis Geltendorf.
Frey verteidigt diese Investitionen, betont jedoch den Strategiewechsel. Effizienz rückt in den Mittelpunkt, weil leere Busse nicht mehr finanzierbar sind. Der Fokus verschiebt sich vom Ausbau zur Konsolidierung, was politisch sensibel bleibt, zugleich aber als notwendig gilt. Diese Entwicklung zeigt, wie eng Infrastruktur und Schuldenentwicklung miteinander verknüpft sind.
Bildungsinvestitionen zwischen Anspruch und Realität
Auch im Schulbereich steigen die Ausgaben weiter. Der Neubau eines Gymnasiums in Herrsching sowie die Sanierung des Tutzinger Gymnasiums binden erhebliche Mittel. Gleichzeitig rückt der geplante Neubau der Fachoberschule in weite Ferne, obwohl der Bedarf steigt.
Frey formuliert das ungewöhnlich klar. „Die FOS werden wir so nicht mehr bauen“, sagt er, und verweist auf Übergangslösungen, die zur Dauerlösung werden könnten. Mehr als 400 Schüler lernen derzeit in mehreren Gebäuden am Rand eines Gewerbegebiets. Dennoch betont der Landrat die Qualität der Schule, was zeigt, dass Sparzwang nicht automatisch Qualitätsverlust bedeutet.
Warum Reichtum die Kommunalfinanzen kaum stärkt
Viele Beobachter fragen sich, warum eine Region mit so vielen Spitzenverdienern finanzielle Engpässe erlebt. Rechnerisch kommen im Landkreis Starnberg 24 Einkommensmillionäre auf 10.000 Einwohner. Dennoch profitieren die kommunalen Finanzen kaum davon, weil die Einkommensteuer gedeckelt ist und vor allem die Gewerbesteuer über Spielräume entscheidet.
Kommunen mit vielen erfolgreichen Unternehmen stehen daher besser da als reine Wohnregionen. Hinzu kommt ein komplexes Umlagensystem, bei dem Gemeinden mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen an den Kreis abführen, während dieser fast ein Drittel an den Bezirk weiterleitet. Danach greift der Finanzausgleich, der die Handlungsspielräume weiter einschränkt. Frey spricht deshalb von einem strukturellen Problem, das ohne Reformen bestehen bleibt.
Zinslast, Warnungen und politischer Sprengstoff
Die wachsende Verschuldung erzeugt zusätzliche Kosten, denn allein für Zinsen fallen in den kommenden vier Jahren über zehn Millionen Euro an. Kreiskämmerer Stefan Pilgram spricht von einem Worst-Case-Szenario, sieht aber kaum Entlastung. Das kommunale Finanzierungssystem stoße an seine Grenzen, warnt er.
Sonderzahlungen des Freistaats verschafften zuletzt kurzfristig Luft, blieben jedoch einmalig. Mit Blick auf anstehende Wahlen wird diese Unterstützung politisch interpretiert. Klar ist: Ohne strukturelle Änderungen droht dem Landkreis Starnberg eine dauerhaft angespannte Haushaltslage, trotz Wohlstand, Seenblick und hoher Einkommen.
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