Europäischer Emissionshandel unter Beschuss – Osteuropa bringt EU-Klimapolitik ins Wanken

Der europäische Emissionshandel entwickelt sich zum politischen Konfliktfall, weil mehrere osteuropäische Staaten eine weitere Verzögerung erzwingen wollen. Gleichzeitig geraten Energiepreise, CO₂-Abgabe, Klimaziele der EU und die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten immer stärker in den Fokus. Obwohl Brüssel den Start des Systems bereits auf 2028 verschoben hat, fordern Tschechien, Ungarn und die Slowakei nun mindestens 2030. Diese Forderung trifft die EU zu einem sensiblen Zeitpunkt, weil wirtschaftliche Stabilität und Klimaversprechen zunehmend kollidieren (welt: 19.12.25).


Warum der europäische Emissionshandel auf Widerstand stößt

Der Widerstand speist sich vor allem aus sozialen und wirtschaftlichen Sorgen, weil steigende Energiepreise in Osteuropa besonders hart wirken. In einem internen Positionspapier erklären die beteiligten Staaten: „Ein grüneres Europa braucht auch den Wohlstand seiner Bevölkerung.“ Die geplante CO₂-Abgabe belaste Haushalte und Unternehmen stärker als im Westen, weil Einkommen niedriger seien und fossile Energien weiter verbreitet blieben. Deshalb halten die Regierungen den Start des europäischen Emissionshandels für politisch nicht vermittelbar.

Osteuropa blockiert den europäischen Emissionshandel. Energiepreise, CO₂-Abgabe und EU-Klimaziele geraten politisch ins Wanken
Osteuropa blockiert den europäischen Emissionshandel. Energiepreise, CO₂-Abgabe und EU-Klimaziele geraten politisch ins Wanken

Gleichzeitig verweisen die Staaten auf Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften. Bezahlbare Energie gilt dort als Voraussetzung für industrielle Stabilität, während ein zusätzlicher CO₂-Preis Investitionen bremsen könnte. Auch deshalb rücken die Klimaziele EU in eine neue Debatte, weil ihre Umsetzung ungleiche Lasten erzeugt.

Prag formiert den Widerstand

Tschechien treibt die Frontstellung voran, weil die neue Regierung den europäischen Emissionshandel offen ablehnt. Ministerpräsident Andrej Babis erklärte: „Wir werden diese Bestimmung der EU-Richtlinie nicht weiter umsetzen.“ Damit stellt Prag nicht nur die CO₂-Abgabe infrage, sondern auch den CO₂-Handel als zentrales Steuerungsinstrument. Ungarn und die Slowakei unterstützen diesen Kurs, wodurch sich ein belastbares Bündnis abzeichnet.

Dabei kalkuliert Prag mögliche Sanktionen ein, obwohl Vertragsverletzungsverfahren und finanzielle Nachteile drohen. Innenpolitisch dominiert die Sorge, dass steigende Energiepreise soziale Spannungen verschärfen. Diese Dynamik erhöht den Druck auf Brüssel, weil nationale Interessen immer deutlicher über gemeinsame Klimaziele der EU gestellt werden.

Strukturelle Unterschiede verschärfen die Lage

Die Kritik am europäischen Emissionshandel ist auch strukturell begründet. In vielen osteuropäischen Staaten liegt das Lohnniveau deutlich niedriger, während Kohle, Gas und Öl weiter eine zentrale Rolle spielen. Millionen Haushalte wären von höheren Strom- und Heizkosten unmittelbar betroffen, was die Akzeptanz der CO₂-Abgabe weiter senkt.

Sollten weitere Länder die Umsetzung verweigern, gerät das gesamte Klimakonzept ins Rutschen. Verkehr und Gebäude verursachen einen großen Teil der Emissionen, weshalb der CO₂-Handel dort entscheidend ist. Verzögerungen schwächen jedoch die Klimaziele der EU, während die Wettbewerbsfähigkeit der Union insgesamt leidet.


Deutschland zahlt weiter allein

Eine Blockade des europäischen Emissionshandels würde deutschen Verbrauchern kaum Entlastung bringen. Deutschland erhebt seit 2021 einen nationalen CO₂-Preis, der eigentlich in das EU-System integriert werden sollte. Bleibt Europa uneins, zahlen deutsche Haushalte und Unternehmen weiter, während andere Staaten ihre Belastung hinausschieben. Das verzerrt den Wettbewerb und erhöht langfristig die Energiepreise im Binnenmarkt.

Zweifel an Ausgleichsmechanismen

Die EU-Kommission setzt auf Preisschutz und einen Sozialfonds, um Härten abzufedern. Doch osteuropäische Regierungen bezweifeln, dass diese Instrumente ausreichen. Sie argumentieren, der Fonds decke die realen Kosten der CO₂-Abgabe nicht ab und laufe zeitlich aus. Damit bleibe die soziale Schieflage bestehen, während der europäische Emissionshandel weiter Vertrauen verliere.

Frontloading als letzter Rettungsanker

Der Berliner Energieexperte Bernd Weber sieht dennoch einen Ausweg. Er schlägt vor, Emissionszertifikate frühzeitig in größerem Umfang zu versteigern. Dieses Frontloading würde den CO₂-Handel stabilisieren, weil der CO₂-Preis zunächst moderat bliebe. Gleichzeitig entstünden Einnahmen für Entlastungen und Investitionen, was die Wettbewerbsfähigkeit stärken könnte.

Weber nennt diesen Ansatz die „Lebensversicherung“ für den europäischen Emissionshandel. Ohne schnelle Anpassungen drohe das System politisch zu scheitern, während die Klimaziele der EU an Glaubwürdigkeit verlieren. Die kommenden Monate entscheiden daher, ob Europa einen tragfähigen Kompromiss findet oder ein zentrales Klimainstrument verliert.

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